preloder

stadtwald

Träumend durch die Stadt gehen, als wäre es ein Wald.
Denkend schlendern als wäre man am Träumen.
Nichts mehr mitbekommen, als wäre man wo anders.
Als wäre man nicht anwesend, sondern körperlich in Gedanken.

Auch wenn es Frühling ist, fallen sie vom Himmel, wie im Herbst.
Du fragst dich was in deinem Leben wichtig ist.
Ob irgendwas was du tust wichtig ist. –
Was davon wichtig ist.
Du gehst alles Schritt für Schritt in deinem Kopf ab.
Und am Ende weißt du gar nicht.

Kennst du das, wenn du im Tunnel bist und eigentlich gar nichts mehr mitbekommst, komplett abwesend bist und alles was du in dem Moment tust automatisch abläuft, aber gleichzeitig bekommst du alles mit, siehst jedes Detail, jede noch so kleine Kleinigkeit, jedes Blatt was vom Baum fällt, jeden Menschen, jeden Schatten, jedes Auto, jeden Hund, alles was sich bewegt – du bist so aufmerksam wie noch nie in deinem Leben, aber gleichzeitig doch so unendlich fern von der Gegenwart.

Und die Gedanken fließen schneller als jedes Licht durch Glasfaserkabel.
Du weißt nicht mehr wo du bist.
Du weißt nicht mehr wohin du willst.
Du weißt nicht mehr.

Du versuchst den Dingen einen Namen zu geben. –
Die eigentlich keinen Namen haben.
Wer bist du das du denkst.
Ich denke also bin ich.

Du starrst durch alles durch, durch die Bahn, durch den Tunnel, durch die Leute durch, durch den Baum, durch die Luft.
Du siehst keine Erleuchtung, kein Licht, kein Ahhh!, kein achso.

Du würdest dich einfach gerne auf den Boden setzten, alle um dich herum zusammenrufen und ihnen erzählen, was gerade so in dir vor geht und sie fragen, ob sie es auch sehen. Würdest gerne ihre Meinung hören, würdest gerne ihre Ohren in Anspruch nehmen, würdest dich gerne nach hinten fallen lassen und laut lachen und die Leute um dich mit dir.

Städtisch durch den Traum gehen, als wäre er real.

krimi zwischendurch – kapitel 8: erster klarer blick

„Der unsichtbare Kölner – der Polizeiskandal 2018“ titelte die Bild.
Durch anonyme Quellen fanden wir heraus, dass uns die Polizei die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hat: Dass der angeblich gefasste Serienmörder, der zehn junge Frauen, welche nur höchstens achtundzwanzig Jahre alt waren, getötet hat, in Wirklichkeit immer noch auf freiem Fuß ist. Ganz richtig gehört – er läuft immer noch frei rum – der momentan Gefasste ist mutmaßlich ein Trittbrettfahrer und psychisch krank. Sein selbst gewählter Name ist Kurat, was auf isländisch Teufel heißt – passend oder?
Die Polizei hielt diese Information noch zurück um erneute Panik vorzubeugen, so der offizielle Grund (den man angegeben hätte, hätte man sich überwunden die Pressemitteilung zu veröffentlichen). Viel mehr scheint es so, als wollten sie ihre vorschnelle, inkompetente Festnahme so lange wie möglich vertuschen. Raus gekommen ist der Fehler nämlich erst nachdem Kurat festgenommen wurde und nachdem! die erste Pressemitteilung rausging, erst dann wurden seine Fingerabdrücke und eine DNA-Probe entnommen. Man muss zugeben es bestand auch kein Grund zum Zweifel, da er bei frischer Tat erwischt wurde und die Morde auch alle brav gestanden hat. Nun als die Ergebnisse reinkamen – kam auch der Schwindel raus und auch das gestand Kurat. Doch wie genau er in die ganze Sache verwickelt ist und ob er Kontakt zum echten unsichtbaren Kölner hatte oder schließlich doch
nur ein Trittbrettfahrer ist ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

„Leute was machen wir jetzt mit dem Scheiß?“, fragte Limpa auf die Leinwand zeigend, auf der der Artikel abgebildet war.
„Anonyme Quelle?! Die meinen wohl eher eine Ratte aus der Polizeistation!“, rief Gabi in die Runde, er kam zuletzt in die kurzfristig einberufene Sondersitzung.
„Aber wem von uns würde das auch nur das entfernteste bringen?“, fragte einer der Kollegen aus der letzten Reihe.
„Ach für Geld macht man so einiges.“, feuerte Gabi zurück.
„Also willst du sagen ein Beamter hat für Geld die Polizei verraten?“
„Wenn die Summe groß genug ist und die Moral niedrig genug – ja warum denn nicht?!“
Großes Gemurmel breitete sich im Konferenzraum aus.
„Liebe Kollegen! Ich bitte euch!“, Limpa versuchte für Ruhe zu sorgen, „Lasst uns lieber überlegen wem dieser Skandal wirklich nützlich ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand von uns so etwas tun würde. Außer Gabi du hast tatsächlich Beweise für deine wilde Theorie – wir sind hier immer noch bei der Polizei.“
„Wer wusste denn alles über Kurat Bescheid?“
„Nur wir die in diesem Raum sitzen, der echte und der falsche unsichtbare Kölner und der Anwalt.“, antwortete Limpa auf Gabis Frage.
Kurze Stille. „So da haben wir es doch! Nur den drei letztgenannten würde die Information an der Öffentlichkeit etwas nützen.“

„Ja aber was genau nützt es ihnen?“

„Chaos – denke ich. Uns als unfähig darstellen, das macht die Presse doch eh am liebsten. Einfach für Unruhe sorgen.“

„Ja das sind die Folgen des Artikels aber was ist der benefit für sagen wir zum Beispiel Kurat?“, hackte Valerie nochmal nach. Erneutes Gemurmel.

„Keine Ahnung. Kurat sieht nicht für mich eh nicht wie einer aus, der für das was er tut gute Gründe braucht. Ich denke, dass er uns damit ärgern kann, reicht schon.“

„Was ist wenn wir was übersehen?“

„Was denn Valerie? Was übersehen wir?“

„Wenn ich das wüsste würden wir es ja nicht übersehen.“

„Vielleicht übersehen wir ja auch nichts und du interpretierst zu viel da rein.“

„So finden wir den echten unsichtbaren Kölner nie.“
In diesem Moment klopfte es an der Tür und der neue Auszubildende Tobi steckte den Kopf in den Raum: „Kommissarin Wolf jemand dringendes wartet auf sie in ihrem Büro. Er sagte sie wüssten Bescheid.“
„Gar nichts weiß ich. Hat er sich vorgestellt?“
„Nein.“
„Und nachfragen wäre ja auch nicht die Aufgabe eines Polizeiauszubildenen?!“
„Tut mir Leid.“
„Na gut. Wir waren eh so weit schon fertig. Wir lassen uns von diesem Blödsinn nicht spalten. Es ist zwar nicht durch unsere Pressestelle an die Medien gelangt, aber jetzt ist es zumindest raus. Karsten du fragst freundlich beim Anwalt nach und die anderen: Ran an die Arbeit in der Stadt läuft buchstäblich ein Serienmörder rum.“
Mit diesen motivierenden Worten verließ Limpa den Konferenzraum und machte sich auf den Weg zu ihrem Büro. Sie fragte sich welcher mysteriöse Mann sie aufsuchte, vielleicht stellt sich ja der unsichtbare Kölner freiwillig, weil er keine Lust auf einen Trittbrettfahrer hat. Sie musste schmunzeln.

„Was machst du denn hier?“, platzte es aus ihr heraus als sie Adam gemütlich in ihrem Sessel sitzen sah.
„Auch schön dich zu sehen.“, waren die ersten Worte die sie von ihm nach Wochen zu hören bekam.
„Adam ich arbeite. Ich hab keine Zeit für so was. Hättest du nicht anrufen können? Oder mich zuhause besuchen können?“
„Ich muss meinen Flug erwischen, aber ich wollte vorher noch persönlich mit dir reden, anders ging es nun mal nicht.“
„Flug? Wohin?“
„Venedig. Ich fliege nach Hause Eva.“

„Was ist mit deinem Haus?“

„Wird zu einer Galerie für neue Künstler umgebaut.“
„Fliegst du für immer?“
„Ja. Ich versuche mein Glück jetzt dort. Ich brauche einen Neuanfang.“
„Und das ist die Trennung von deinem alten Leben?“
„Ja, wenn du es so sagen willst. Limpa ich habe dir unendlich viel zu verdanken. Ich habe dich wirklich wahrhaftig geliebt. Aber die letzte Zeit in der ich so gehadert habe, wie du weißt, verbinde ich zu stark mit dir, weil du immer präsent warst, was gut war, aber ich brauche Abstand davon. Ich brauche was neues, neue Leute, neue Orte, ein neues altes Zuhause.“
„Du hast Recht Adam. Es wird das beste für uns beide sein. Ich will dir auf deinem künstlerischen Weg nicht im Weg sein. Ich wünsche dir alles gute.“, sie überwand sich zu einem lächeln, hinweg über die glasigen Augen.
„Ich wusste du würdest es verstehen. Danke. Danke Eva für alles.“
Ein letztes mal umarmte er sie und ein letztes mal sog sie seinen so vertrauten, geliebten Duft ein und ein letztes mal küssten sie sich fest und dennoch sanft auf die Lippen, lösten sich nur langsam voneinander. Adam blieb noch eine ganze Weile in der Tür stehen und schaute sie an bevor er schließlich mit einem „Lebe wohl!“ den Raum verließ.
Limpa ließ sich in ihren Stuhl fallen und stieß einen lauten Seufzer aus. Sie dachte über ihr Leben nach: Eine fünfunddreißig jährige Polizeikommissarin auf der Suche nach einem Serienkiller, frisch getrennt von einem aufstrebendem Künstler, nach nicht mal vier aber dafür sehr intensiven Monaten Beziehung, eine Scheidung schon hinter sich, aber keine Kinder. Und so wirklich wollte Olimpia auch nie welche haben. Seit sie mit Adam zusammen war, kannte sie nichts anderes mehr außer ihm. Andere Leute traf sie nur auf seinen Ausstellungen und auf der Arbeit, wobei sie schon vorher kein ausgeprägtes Sozialleben hatte. Deswegen schien es niemanden aufzufallen, dass sie sich mehr und mehr abkapselte. Nichtsdestotrotz waren die letzten vier Monate mit Adam die glücklichsten ihres Lebens gewesen, selbst mit dem unsichtbaren Kölner im Nacken. Und nun – nun ist dieses Glück vorbei – endgültig.

Es ist kalt geworden und trostlos in Köln. Die Weihnachtsmärkte wurden aufgebaut und die sale-Schilder in den Vitrinen aufgestellt, Dutzende Polizisten streiften durch die Innenstadt. Man ließ sich nicht anmerken, dass die Stimmung bedrückt war. Die rheinische Frohnatur lässt sich nicht so schnell unterkriegen. Seit der Festnahme von Kurat sind ungefähr vier Wochen vergangen und in dieser Zeit sind keine weiteren Frauen verschwunden, trotzdem wartete man noch mit dem Aufatmen – man hatte gelernt sich nicht zu früh zu freuen.
Gabriel ließ sich mithilfe alter Freunde in die JVA einschleusen, um mit Kurat ohne Anwalt und Kameras sprechen zu können. Kurat wurde rein gebracht, Gabriel saß schon am Tisch. Selbst in dieser Situation konnte sich der in Handschellen gelegte sein Grinsen nicht verkneifen, blieb aber Stumm.
„Bekommst du hier die Nachrichten mit?“, fing Gabi an nachdem er ihn eingehend gemustert hatte.
„Und wie.“, Kurat lehnte sich zurück.
„Hervorragend. Hast du diese Info gestreut?“
Er lachte: „Wer weiß.“
„Also ja. Aber ich bin heute hier um mit dir über etwas anderes zu reden.“
„Spannend!“
„Inwiefern steckst du mit dem echten unsichtbaren Kölner unter einer Decke?“
„Sie erwarten doch jetzt keine Hilfreiche Antwort oder? Denn entweder ich stecke nicht mit ihm unter einer Decke – dann hat sich alles erledigt. Und wenn doch, wieso sollte ich ihnen etwas sagen?“
„Die Leiche die wir zusammen mit dir im Wald gefunden haben, hast nicht du getötet, sondern aus dem Krankenhaus mitgehen lassen. Bis jetzt habe nur ich diese Info, deswegen ist auch bisher noch niemand gekommen.
„Wie aufregend Herr… ehm…“
„Geht dich ein Scheiß an.“
„Ja dann ist die Leiche geklaut und weiter? Was ändert das?“
„Die Leute stempeln mich oft als doof ab aber zu unrecht. Ich glaube der echte unsichtbare Kölner hat dich beauftragt die Schuld auf dich zu nehmen. Ich habe nämlich ein bisschen recherchiert und durch die Unachtsamkeit der Sekretärin deines Anwalts kenne ich deinen Namen. Ja ganz richtig gehört Nicolai Smirnow. Und ich weiß, dass du in St. Petersburg als Schauspieler angefangen hast und dann für drei Monate in die Geschlossene kamst, weil du ein klein wenig verrückt bist. Meiner Meinung nach schon etwas riskant einem Verrückten anzuvertrauen seinen Arsch zu retten. Ich frag mich auch für welchen Preis du das alles auf dich genommen hast.“
„Ich bin nicht verrückt!“, rief Nicolai, zum ersten mal sah man so etwas wie menschliche Züge in seinem entgleisten Gesicht.
„Doch, genau deswegen wählte er dich aus. Er brauchte einen Sündenbock und etwas Zeit um sich in Sicherheit zu bringen, also engagierte er einen jungen erfolglosen Schauspieler für vermutlich viel Geld, der eine Leiche in den Wald bringen sollte – von dem wir ja schon wussten. Dieses trojanische Pferd sollten wir dann ohne zögern fangen und eine ganze Weile mit dem öffnen beschäftigt sein, um dann herauszufinden, dass alles nur eine große Verarsche war.“
„Sind sie stolz auf ihre Verschwörungstheorie?“, Nicolai hatte sich wieder gefasst.
„Gib es doch einfach zu! Ich habe dich und ich habe Beweise.“
„Beweise? Meinen Namen oder was? Was beweist das schon? Das sind Höchstens Indizien – vor Gericht bringt das doch nichts.“
„Deswegen bin ich hier, damit du deine Aussage machst.“
„Wieso sollte ich?“
„Ich habe immer noch die Leiche – das ist ein menschengroßer Beweis. Plus die Lügen die du uns erzählt hast, dass du der Mörder der Frauen warst, bringen dir bestimmt ein paar Jahre hinter Gitter. Aber wenn du mir verrätst wer der unsichtbare Kölner ist, kommst du mit einer Bewährungsstrafe davon.“
„Erzählen sie mir doch keine Märchen!“
„Du glaubst gar nicht mit wie vielen Richtern ich am Wochenende noch ein Kölsch trinken gehe und wie viele mir noch eine Gefallen schulden.“
„Und wenn schon.“
„Denkst du er wird dir irgendwie dankbar sein für deine Loyalität und ihr reitet zusammen in den Sonnenuntergang? Spätestens bei der Geldübergabe – egal wie er es anstellen wird – kriegen wir ihn. Und dann kommt ihr beide ins Gefängnis. Und ich bin mir sicher, er wird dich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel und alles auf dich schieben.“
„Das möchte ich erleben.“
„Idiot. Also sagst du nichts?“
„Ich kann ihnen vieles sagen nur nicht das was sie wissen wollen.“
Gabi stand auf und ging zur Tür. „Aber eins muss ich dir lassen, deine Rolle hast du gut gespielt.“
„Ihr werdet ihn nie kriegen.“, Nicolai lachte.

 

letztes Kapitel                                                                                                       Fortsetztung folgt…

 

krimi zwischendurch – kapitel 7: weißer schnee auf schwarzem untergrund

„Aber wie? Wie kann das sein? Und was hat das zu bedeuten?“, stammelte sie.
„Die Ergebnisse kamen heute morgen rein, wurden zweimal überprüft, Karsten hat mich sofort angerufen und seitdem sitze ich hier und drehe mich auf meinem Stuhl und weiß nicht mehr weiter.“
„Aber du hast ihn doch im Wald, beim Verbrennen, auf frischer Tat … er hat doch alles gestanden…“, man sah förmlich die Fragezeichen im Olimpias Augen wachsen, „aber… wir hatten ihn doch.“
„Ich werde ihn gleich nochmal befragen, ich warte nur noch auf die Rückmeldung von seinem Anwalt. Kommst du mit?“, Limpa reagierte nicht, „Ob du mitkommst?“, wiederholte sie.
„Was?“, Limpa erschrickt.
„Ich frage ob du mitkommst ins Gefängnis, um Kurat zu befragen.“
„Ja natürlich. Entschuldige mich.. ich .. ich bin nur…“
„Ja ich weiß. Ich auch.“

Valerie und Olimpia saßen in einem muffigen, kleinen Raum in der JVA Köln, gegenüber der Anwalt von Kurat – er selbst wurde erst später rein gebracht. Er grinste übers ganze Gesicht.
„Du weißt warum wir hier sind?“, fragte Olimpia.
„Guten Morgen Kommissarin Topika, ich freue mich sehr sie Wiedersehen zu können. Ich wollte ihnen eigentlich schon viel früher zu ihrer gelungenen Arbeit gratulieren, aber man ließ mich nicht, wie sie sicher wissen.“, er strahlte sie an.
„Was bist du? Ein Trittbrettfahrer oder ein geisteskranker Fan oder sein Komplize? Was bist du?“, Valerie war bestimmt und laut und deutlich.
Sein Grinsen wurde breiter: „Ich frage mich, was die Presse schreiben wird, wenn sie raus finden, dass ich gar nicht ihr Liebling bin.“
„Beantworte die Frage!“, Valeries linkes Auge zuckte.
„Alles mit der Ruhe. Haben wir etwa nicht genug Zeit? Ich wollte doch noch so gerne mit ihnen plaudern, Kommissarin Topika. Verraten sie mir, wie sie hinter den Platz im Wald gekommen sind? Vielleicht kann ich ja noch was von ihnen lernen.“
„Arbeitest du mit ihm zusammen?“, hackte sie nach.
„Aber diesen Meistertrick haben sie doch sicher nicht alleine geschafft oder etwa doch?“, kurzes Schweigen, „Und wie ihre Kollegen mich auf dem Weg vom Wald zum Auto eskortiert haben – das war schon sexy. Geben sie das auch den Beamten weiter. Die haben alle tolle Arbeit geleistet.“
„Du willst es also nicht auf die nette Tour?! Behinderung der Justiz, sich unter falschen Identität ausgeben, Mithilfe, Vertuschung, Deckung eines Kriminellen, vielleicht sogar Mord. Du wird für eine sehr lange Zeit hinter Gitter kommen, wenn du nicht schleunigst deine kooperative Seite zeigst, Kurat. Vor allem wie ist eigentlich dein wirklicher Name? Den wissen wir immer noch nicht.“, Valerie lehnte sich bei jedem Wort weiter nach vorne über den Tisch.
„Warten sie – und sie können meine Strafe mildern? Kann sie meine Strafe mildern?“, er drehte sich zu seinem Anwalt. Der schmunzelte und schüttelte ganz leicht den Kopf.
„Kann sie also nicht…“, er wirkte keineswegs enttäuscht.
„Nicht auf direktem Wege, aber wir können was aushandeln.“, unterbrach Limpa ihn.
„Wir sind in keinem billigen Ami-Krimi, meine Damen – ohne Beweise ihrerseits sage ich nichts.“
„Wer gibt mir die Garantie, dass du dann was sagen wirst, wenn du überhaupt etwas weißt?“, Valerie lehnte sich im Stuhl zurück und guckte kurz zu Limpa, deren Augen flackerhaft hin und her sprangen.
„Richtig Kommissarin Topika, die Garantie kann ihnen keiner geben, es geht um vertrauen.“, er grinste und blickte zum Anwalt rüber, der ihm deutete dieses sein zu lassen, „Entschuldigt mich, vielleicht bin ich ja auch zu gut drauf. Euch ist wahrscheinlich nicht nach lachen zu mute.“
„Ich frage dich ein letztes mal! Was bist du? Wer bist du? Kennst du den unsichtbaren Kölner?“, Valerie machte unter dem Tisch eine Faust und presste sie fester und fester zusammen.
Er lachte lautlos.

Es gab keine bunten Farben mehr. Weißer Schnee auf schwarzem Untergrund. Erschöpft und immer noch verwirrt kam Limpa nach dem misslungenen Verhör nach Hause. Adam war zur Abwechslung nicht da. Sie betrat das Wohnzimmer und mitten im Raum stand seine Staffelei, mit einem noch nicht fertigen Bild darauf. Olimpia trat näher und betrachtete es für einige Sekunden, sie erinnerte sich, dass Adam immer vom Licht sprach, wenn man malt oder sich das Bild auch einfach nur anschaut. Sie schaltete die Deckenlampen aus und ließ das natürliche Tageslicht, wovon nicht mehr viel übrig war, das Bild ausleuchten. Es wirkte düster und nachdenklich. Abgebildet war der Blick aus dem Wohnzimmer; der Wald hinten und das karge, trostlose Feld vor dem Haus. Die Farben die er benutze, die harte, zackige Technik, die er verwendete, ließen Limpa schließen, dass irgendwas nicht stimmte. Der schwarze, unfruchtbare Boden, der kaputte, zerrüttete, dunkelbraune, fast schwarze Zaun, am Ende des Felds, der tief-dunkelgrüne Tannenwald ganz hinten; der Pinsel wurde bei jedem Strich fest aufgedrückt, doch mit dem Finger etwas verwischt, sodass es gleichzeitig verschwommen aussah. Der Himmel, welcher nur einen Bruchteil des Bilds stellte, war zwar im Vergleich zum Rest der Farben hell aber dennoch wirkte dieser dreckig – ein dreckiges, modriges durchgängiges grau. Als wären die Farben die unten benutzt worden sind, nicht vom Pinsel abgewaschen worden und sind auf den Himmel übergegangen. Der Himmel wirkte so, als wäre er zum Schluss gemalt worden, unordentlich oben drüber gepinselt, damit es zu einem Ganzen wird.

Wie lange kann ich mich noch verstecken? Wie lange kann ich mich noch unter Kontrolle halten? Mein Platz im Wald haben sie schon, ich muss mir irgendwas anderes suchen, wo ich meiner Obsession nach kommen kann. Doch werden sie mich auch dieses mal finden? Nein, das werden sie nicht. Ich muss mir was konsequenteres einfallen lassen, sie sollen den unsichtbaren Kölner vergessen. Aber ich muss wieder anfangen, ich kann das Verlangen nicht mehr kontrollieren, nicht mehr in anderes kanalisieren. – Vor allem will ich das auch gar nicht mehr. Ich will mich nicht mit irgendwelchen Belanglosigkeiten zufrieden geben, wenn ich doch so ein Verlangen habe, welches ich ausleben sollte. Die Stimmen in meinem Kopf lassen mich nicht mehr in Ruhe. Sie sagen mir, ich soll wieder auf die Piste – aber es ist noch nicht sicher, sage ich ihnen und sie sagen, es wäre egal. Ich muss hier erst mal weg. Dieser Alltag macht mich noch wahnsinnig.

„Valerie was ist?“, sie seufzte.
„Freut mich auch von dir zu hören Olimpia.“
„Ich dachte nur vielleicht ist schon wieder was passiert.“
„Nicht direkt.“, Valerie zögerte.
Limpa setzte sich mit dem Handy auf das Sofa.
„Mach kein Geheimnis daraus.“
„Na die Presse fragt nach Neuigkeiten, weil seit zwei Tagen nichts mehr kam.“
„Die Presse ist mein geringstes Problem. Wir sagen erst mal nichts. Wir haben auch erst mal nichts. Wir wissen doch selber nicht was das alles zu bedeuten hat. Und solange wir nichts genaues wissen, braucht die Presse erst recht nichts zu berichten. Sonst werden sie in ihrer Annahme nur noch bestärkt.“
„Welche Annahme?“
„Dass wir unfähig sind. Die unfähigen, kölner Beamten, schrieb der Kölner Stadtanzeiger.“
„Papalapap. Gut, ich sag dann.. was sage ich denen?“
„Gar nichts – keine Antwort.“
„Fühlt sich irgendwie falsch an.“, gab Valerie leise von sich.
Adam kam rein.
„Sollen die Leute wieder Panik bekommen?“, rief sie fast in den Hörer.
Adam wirkte überrascht und hauchte ‚Panik?‘, Limpa schüttelte nur mit dem Kopf und winkte ab.
„Gut, ich muss jetzt auflegen. Adam ist da. Wir sehen uns morgen. Geh nach Hause Valerie. Ruh dich ein paar Stunden aus.“

Limpa drehte sich um, da stand Adam schon hinter seiner Staffelei und malte wieder.
„Du hast freiwillig das Haus verlassen?“
„Ich war spazieren.“, antwortete er.
„Spazieren?! Du?! Du warst spazieren?!“, Limpa konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Ja, lass mich doch!“
„Ich lasse dich sehr gerne, aber trotzdem.“
„Auch ein Künstler von Gott braucht Inspiration.“
Limpa ging zu ihm und wollte ihn küssen, doch er malte einfach weiter. Ignorierte sie einfach, er war wieder im Tunnel. So ging das die nächsten Tage weiter: Er hing an diesem Bild, tagelang und bekam es nicht fertig, fügte mehr und mehr Details hinzu, war nie Zufrieden. Einmal erwischte Limpa Adam am offenen Fenster, in den Händen das Bild, er drohte es jede Sekunde fallen zu lassen. Die Vernissage im Haus musste verschoben werden. Limpa fragte ihn andauernd, was es mit diesem sonderbaren Bild auf sich hat, aber Adam schwieg, so wie auch sonst immer, wenn Limpa ihn etwas fragte. Er redete kaum noch. Malte nur noch an dem Bild, wobei man das nur noch schwer malen nennen konnte: er stand stundenlang davor, bewegte sich nicht, starrte es an und irgendwann nahm er seinen Pinsel in die Hand, tauchte ihn in Farbe und stand wieder eine ganze Weile regungslos da, bis er sich schließlich überwinden konnte einen Strich zu setzten, fluchte dann, weil es schlecht geworden ist und dann fängt alles wieder von vorne an. Limpa wurde ja gewarnt, dass es mit einem Künstler nie einfach ist – aber an so was hat sie nicht im entferntesten gedacht. Wenn Limpa ihn auf die Situation ansprach sagte er nur: „Siehst du nicht was ich mache ? Ich male, also störe mich nicht. Und mach die Tür zu wenn du gehst!“
Neuerdings malte er nicht mehr im Wohnzimmer, sondern in seinem Kunst/Galeriezimmer (was er normalerweise nutzte um seine fertigen Bilder dort abzustellen). Um ihn herum waren alle Bilder, die riesigen, schon bemalten Leinwände aufgestellt, bunte Farben, abstrakte Figuren lachten ihn an und in der Mitte er mit seinem – im Vergleich zum Rest – sehr düsteren, nicht-fertig-werden-wollenden Bild.
„Willst du nicht mal ne Pause machen? Dann können wir reden. Du machst ja nichts anderes mehr, isst nichts, schläfst nicht, gehst nicht mal auf Klo.“
„Ich brauche keine Pause. Ich muss fertig werden.“
Und wenn man ihn fragte wie es sein kann, dass er doch plötzlich mit seinen fertigen Bildern im gleichen Raum sein konnte, so sagte er sie geben ihm Energie. Limpa war verzweifelt – offensichtlich. Sie wusste, dass sie nichts falsch gemacht hat; sie wusste auch, dass Adam etwas bedrückte, aber sie wusste nicht wie sie ihm helfen konnte, also fasste sie eines Tages einen Entschluss: „Adam, ich weiß du willst nicht mit mir reden. Das ist jetzt auch wahrscheinlich das letzte was du für eine Weile von mir hören wirst. Ich wollte nur sagen, dass ich zurück in meine Wohnung gehe, weil ich denke, dass du Zeit für dich brauchst und ich kann dir dabei auch nicht mehr länger zusehen. Jedenfalls ich liebe dich Adam und wenn du mich brauchst bin ich für dich da, ich weiß jetzt einfach nicht was ich noch für dich tun kann. Das ist keine Trennung, außer du willst das, das ist ein Auf Wiedersehen.“

 

letztes Kapitel                                                                                                                               Fortsetzung folgt…

 

Krimi zwischendurch – Kapitel 6: Kurat

Da sitzt er nun – so gefangen – so hilflos – so alleine – so schuldig – so dreist grinsend.
Limpa kam so schnell wie möglich zum Revier, stand neben Valerie hinter dem scheinbaren Spiegel und beobachtete den unsichtbaren Kölner, wie er sie direkt durch die Scheibe anstarrte, obwohl er sie nicht sehen konnte.
„Was bringt einen Menschen so etwas mit so einer Freude zu tun? Für jemanden mit meinem Beruf ist es höchst ungesund sich solche Fragen zu stellen. Fast drei Monate jagen wir dich nun schon, zehn Frauen hast du mindestens auf dem Gewissen, zehn zerstörte Familien. Und was hast du erst mit Valerie gemacht?“, sie drehte den Kopf zur Seite, „Guck sie dir an! Ein Häufchen Elend! Wochenlang hockte sie alleine im Wald, auf der Suche nach dir. Total verwahrlost, abgeschnitten von der Realität, am Rande des Wahnsinns. Aber sie hält sich wacker – jetzt hat sie dich – jetzt kannst du ihr nicht mehr entkommen. Ganz alleine hat sie es geschafft.“, dachte Limpa weiterhin den unsichtbaren Kölner beobachtend.

Die Sonne schien, seit Wochen zum ersten mal wieder auf einem blauen Hintergrund. Zum ersten mal waren die Blätter trocken und ihre Farben kamen im Wind richtig zur Geltung. Die Straße war nicht mehr von riesigen Pfützen übersaht und die Leute hoben ihre Köpfe. Zum einen, weil es nicht mehr regnete, zum anderen, weil sie sich irgendwie sicherer fühlten.
Kommissarin Olimpia Wolf betrat den zweiten Verhörraum, unterm Arm eine Mappe, Haare streng in einen strafen Zopf gebunden, ein Glas Wasser in der zittrigen Hand. Der unsichtbare Kölner ließ seine in Handschellen gelegten Hände, so laut wie er konnte, vom Tisch in seinen Schoß plumpsen, um seine Hüfte war er an den Stuhl gekettet, sein Hemd war blutverschmiert. Am Tisch angekommen blieb Limpa regungslos stehen, so als würde sie noch ein mal in sich gehen, wie der Eiskunstläufer, vor seiner Kür, der sich in seine Anfangspose begab – Limpa begab sich scheinbar selbstbewusst in ihre Anfangspose: sie setzte sich ihm gegenüber, stellte davor ihr Glas ab und bereitete die Mappe wortlos vor sich aus. Darin befanden sich die Fotos der Leiche die er in der Innenstadt zurückließ – Saskia Klein – und etwaige Unterlagen, Berichte und Analysen zum Fall. Er guckte sich die Fotos interessiert an, beugte sich sogar leicht aus seinem Stuhl nach vorne – Limpa ekelte sich.
„Du kannst mich Kurat nennen.“, er guckte von den Fotos hoch, „Deine Kollegin wollte eine Alternative zu unsichtbarer Kölner.“, er lehnte sich wieder entspannt in seinem Stuhl zurück und legte seine Hände samt der Handschellen ordentlich in seinem Stoß ab, „Vor allem hat mich aber keiner gefragt, ob ich wirklich Kölner bin, vielleicht bin ich aus Düsseldorf und töte, weil ich Kölner hasse. Dem ist aber natürlich nicht so. Mit gefällt mein Spitzname…“
„Ist das dein Name – Kurat?“, unterbrach sie seinen nicht enden wollenden Redefluss.
„Nein, aber google es mal.“, er nickte ihr vielsagend zu, so als würde sie wissen was er meinte.
„Unsichtbar bist du übrigens auch nicht.“, seufzte sie und lehnte sich kraftlos in ihren Stuhl nach hinten.
„Warum so demotiviert Kommissarin…“
„Wolf.“, ergänzte sie.
„Kommissarin Wolf, haben sie schlecht geschlafen? Oder zu lange gefeiert? Oder einfach keine Lust mehr?“
„Hör auf zu reden.“, rief sie die flache Hand auf den Tisch hauend.
„Aber ich dachte sie wollen reden?! Dabei stellen sie gar keine Fragen.“
„Du machst es mir zu leicht.“, drückte sie durch die geschlossenen Zähne.
Er verzog das Gesicht zu einer zufriedenen Grimasse, als hätte er gerade in Monopoly gewonnen und der Verlierer würde wie ein kleines Kätzchen getränkt. Limpa machte es ihm nach und presste ihre Lippen fest zusammen und grinste krampfhaft, als hätte sie große Schmerzen und versuchte diese durch das Lachen zu verbergen. Blitzartig kam sie wieder zu sich. Ich darf mich nicht auf seine Spielchen einlassen. Ich muss professionell bleiben. Das ist nichts persönliches.
„Fangen wir also an.“, atmete sie aus, „Das auf den Fotos ist Saskia Klein. Sie war 23 Jahre alt, kam gerade zurück vom Feiern und wollte am nächsten Tag zurück ins Krankenhaus zu ihrer Nachtschicht, sie war nämlich Krankenschwester. Zuhause warteten zwei Hunde auf sie. Saskia hatte mehrere Geschwister, einen Freund, mit dem sie zusammenziehen wollte, der Mietvertrag war sogar schon unterschrieben.“
„Und weiter?“, fragte er gelangweilt.
„Warum Saskia?“
„Warum nicht sie?“
„Gab es ein Schema bei der Wahl deiner Opfer?“
„Nein.“
„Warum hast du sie nicht verbrannt?“
„Wurde gestört, musste verschwinden.“
„War Maria Fischer dein erstes Opfer?“
„Wer ist Maria Fischer?“
Limpa holte ein Foto aus ihrer Mappe.
„Ja.“, antwortete er zufrieden.
„Du hast davor also nie getötet?“
„Nein.“
„Warum hast du sie verbrannt?“
„Woher wisst ihr davon?“, er wurde aufmerksam.
„Der Jäger im Wald bemerkte den Rauch und meldete es uns.“, Limpa sammelte die Fotos wieder ein. Er lehnte sich wieder nach hinten und nickte in die Sonne starrend.
„Deine Kollegin, die mich verhaftet hat, hat das herausgefunden, nicht wahr?“
„Valerie Topika, sie hatte die Verantwortung bei deinem Fall.“
„Warum befragt sie mich nicht? Ich muss ihr noch gratulieren, zu ihrem Erfolg und dass sie mein Platz gefunden hat.“, sagte er lächelnd.
„Kannst du später auch noch tun. Lass uns erst mal die Details der Morde durchgehen.“
Er rückte in seinem Stuhl etwas hin und her und machte es sich bequem, Limpa blickte ihn aufmerksam an und wartete bis er ihr ein Zeichen gab, dass er bereit war.

Hinter der Scheibe im Kontrollüberwachungsraum reichte Gabi Valerie einen Tee.
„Der ist mit Schuss.“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie drehte sich zu ihm und lächelte dankbar.
„Und wie läuft es?“, erkundigte er sich.
„Pervers.“, sie trank einen Schluck vom Tee, spürte wie ihre Schultern lockerer wurden und die Anspannung aus ihrem Körper verschwand.
„Wie fühlst du dich jetzt mit allem?“
„Ganz gut“, sie zögerte, „soweit.“
„Val! Du hast ihn eigentlich alleine gefunden und geschnappt. Ist dir das klar? Einen der gefährlichsten Verbrecher den wir hier je hatten. Das stinkt förmlich nach einer Beförderung, zumindest nach einer Gehaltserhöhung. Verstehst du das überhaupt?“, bei den letzten Worten schüttelte er sie, so dass etwas vom Tee auf den Fußboden schwappte.
„Gabriel! Verdammt!“, sie stellte die Tasse ab.
Er rannte raus und kam wenige Sekunden mit einer Rolle Zewa wieder, kniete sich vor Valerie und wischte den Boden trocken.
„Nein, ich verstehe noch überhaupt gar nichts.“, Gabriel guckte sie von unten an, „Ich bin noch ganz durcheinander.“
„Offensichtlich! Kleckerst hier mit Tee und ich soll es auch noch sauber machen.“, er stand wieder neben ihr.
Valerie schaltete die Lautsprecher an um Olimpia und Kurat wieder hören zu können.

„War es immer dieses Auto, mit dem du die Leichen transportiert hast oder hattest du mehrere?“
„Nein nur das eine.“
„Wie bist du vorgegangen?“
„Nun nach dem ich das Opfer meiner Begierde“, Olimpia verdrehte die Augen, „erblickte, da gab es immer diesen besonderen Moment indem ich wusste, dass sie es war.“, sie musste ihren Würgereiz unterdrücken, „Nun beim Prozess war ich immer abwechslungsreich: mal benutze ich ein Messer, mal erdrosselte ich sie mit bloßen Händen, mal brach ihr das Genick und einmal da benutze ich eine Plastiktüte – sie erstickte so jämmerlich.“
Limpa sah sich nach einem Mülleimer um in den sie sich übergeben konnte, Kurat stoppte seine Erzählung und blickte sie verwundert an. Daraufhin sammelte sie sich, atmete durch und deutete ihm weiter zu reden. Er räusperte sich sichtlich irritiert: „Nach der vollbrachten Tat“, er zögerte, „genoss ich ich den Moment, bis ich die Leiche schließlich ins Auto beförderte und den Ort des Geschehens reinigte.“
„Wie kann es sein, dass wir nie Spuren gefunden haben, bis auf das eine mal.“
„Talent.“, sagte er stolz, „Jetzt erst kommt das beste: Ich brachte die toten Mädchen in den Wald und machte ein Feuer – ein zauberhaftes, großes warmes, beruhigendes Feuer, an dem ich mich wärmen konnte.“, er rieb sich die Hände aneinander, die Handschellen klimperten, „Stundenlang blieb ich stehen und schaute direkt in die Flamme, wie sich der leblose Körper langsam verformte und zu Asche wurde. Was vom Feuer übrig blieb kam in den Fluss und wenn sie nicht auferstanden sind, dann sind sie heue noch tot – Ende.“
„Warum nur junge Frauen?“
„Such dir was aus“, er zuckte mit den Schultern, „es war entweder der Tod meiner Mutter bei meiner Geburt oder der tödliche Unfall meiner älteren Schwester oder die Misshandlung durch mein Kindermädchen oder eine neue psychische Krankheit bei der man nur junge hübsche Frauen ermordet.“, er lachte. Limpa schüttelte sich. Die Sonne strahlte immer noch mit voller Kraft in den Verhörraum, sie stand auf und ließ die Jalousie runter. Er gab irgendeinen unwitzigen Kommentar ab, sich die Augen reibend ignorierte sie seine blöde Bemerkung und fuhr fort: „Hier ist eine Liste mit Namen und Fotos der zehn Vermissten – gab es darüber hinaus noch jemanden den du getötet hast? Kollateralschäden oder jemand der noch nicht als vermisst gemeldet wurde?“
„Nein nur zehn.“, er guckte sich die Fotos erst an, nachdem er geantwortet hat, „Nur zehn“, sagte er nachdenklich, „bevor ihr mich gefasst habt.“
„Mir kommt es bloß so vor Kurat, dass das genau dein Ziel war – gefasst zu werden.“
„Dann kennst du mich ja besser als ich mich.“
„Warum die Pause? Warum die Rückkehr?“
Er grinste: „Urlaub und irgendwann ist der schönste Urlaub auch vorbei.“
„Bist du in deinem Urlaub weggefahren?“
„Nach Island. Es war fantastisch.“
„Kauf ich dir nicht ab.“, sie lehnte sich zurück.
„Hast du eine bessere Geschichte?“
„Du wusstest, dass wir dir auf der Schliche waren und hast gewartet bist du dich sicher gefühlt hast – so simpel und einfach zu gleich. Aber eher glaube ich, dass du genau wusstest, dass es mit deinem Hobby nicht mehr lange weiter gehen wird, aber vor deinem Abtritt, nach deiner Pause, wolltest du noch einmal zuschlagen, bevor du dann schließlich in den Knast musst.“
„Ist doch ein würdevoller Abgang findest du nicht Kommissarin Wolf?“
„Oh doch und wie.“, sie trank ihr Wasser in einem Schluck leer, innerlich kochte sie, „Gut, zum weiteren Vorgehen: dir werden Fingerabdrücke und eine DNA-Probe entnommen, damit wir die mit den Spüren am Tatort von Saskia Klein vergleichen können. Bis der Prozess startet kommst du erst mal in Untersuchungshaft. Es kann sein, dass wir weitere Fragen haben, dann kommen noch mal auf dich zurück.“
„Was ist mit meinem Anwalt?“
„Denkst du der kann dir noch helfen?“
„Seien sie doch nicht so jähzornig.“
„Du kannst gleich anrufen, ich gebe das meinem Kollegen weiter.“
Limpa sammelte ihre Sachen wieder ein und verließ den Raum. Obwohl er verhaftet ist und die Beweise erdrückend sind, also er wurde bei frischer Tat ertappt, war Limpa nicht befriedigt.

„Karsten kümmer dich um die Fingerabdrücke und sein scheiß Telefonat.“, sagte sie im Vorbeigehen und verschwand lautlos in ihrem Büro. „Vielleicht ist es bloß seine geisteskranke, großkotzige Art die mich stört. Der Typ hat mich echt alleine durch seine Erzählungen fast zum kotzen gebracht.“, dachte sie.
Nachricht von Adam: Eva geht es dir gut?
Limpa tippte als Antwort: Der normale Wahnsinn. Ich hoffe, du empfängst mich mit Abendessen.
Weil sie gerade eh schon am Handy war, schaute sie was die Medien über ihren heiß geliebten unsichtbaren Kölner schrieben. Die Presse ist völlig außer sich , bei Twitter geht der Hashtag #unkoelner viral. Die Leute sind so sensationsgeil und wollen unbedingt ein Foto von ihm, spekulieren über sein Wahnsinnsaussehen, wollen seine Sicht der Dinge hören, sein Schicksal verstehen, was ihn zu der Tat gebracht hat. Limpa wurde wieder schlecht. Eine Minderheit, wahrscheinlich die besorgten Eltern von Mädchen sprachen all ihren Hass gegen ihn aus und gleichzeitig ihre Erleichterung über seine Festnahme. Die Presse schrieb kuriose Artikel mit allen möglichen falschen – wie Limpa wusste – Vermutungen: der unsichtbare Kölner soll aus der Psychiatrie ausgebrochen sein, die Polizei versteckt noch zwanzig seiner Leichen. Weil zehn ja noch nicht schlimm genug sind, kommentierte Limpa in ihrem Kopf. Und weiter schrieben sie (wiederholt), dass die Polizei ihn nur schnappen konnte, weil er es so wollte – wäre es nicht sein ausdrücklicher Wunsch gewesen, verhaftet zu werden, würden die unfähigen, kölner Beamten immer noch im dunkeln tappen. Limpa lachte bei der Stelle laut auf.

Dunkelgrüne Tannen schwebten im Wind, Vögel unterhielten sich sanghaft, im Hintergrund die Sonne auf blauem Untergrund und auf dem flachen Hügel im Haus Adam malend mit Ölfarbe, vor der Staffelei. Die nächste Ausstellung war schon geplant, obwohl die letzte erst vor zwei Tagen gewesen ist. Hier im Haus sollte sie stattfinden, abseits der Stadt. Er wusste schon gar nicht mehr wohin mit seinen Ideen und den fertigen Bildern. Limpa brachte ihm fast jeden Tag eine neue Leinwand, selber verließ er kaum noch das Haus. Von morgens bis abends war er wie im Rausch, aus dem er immer, wenn Limpa nach Hause kam, direkt in den nächsten überging und sie mit seiner Liebe überschüttete, sodass Limpa zuhause bei Adam auf keine negativen, die Arbeit betreffenden Gedanken kommen konnte. Er sprühte über vor Energie und steckte alle in seiner Umgebung damit an.
Als Limpa am Abend Heim kam, fragte sie ihn, warum er die Ausstellung im Haus ausrichten wollte und nicht wie üblich in der Galerie. „Bringst es gar nicht mehr fertig in die Stadt zu fahren?“, neckte sie ihn. Er seufzte und sagte nur, dass diese Bilder in keine Galerie passen würden, sie müssen hier in diesem Licht, in dieser Umgebung wahrgenommen werden, hier wo sie entstanden sind. Limpa stand vom Sofa auf, ging zu Adam rüber, küsste ihn, zog ihre Jacke aus und begab sich in die Küche um sich das Essen aufzuwärmen.
„Wie läuft denn der Fall eigentlich?“, fragte er scheinbar am Rande, fast als würde es ihn in Wirklichkeit nicht interessieren.
„Gleiche Antwort wie immer – mehr als in den Nachrichten steht darf ich dir nicht erzählen. Obwohl … ich weiß auch nicht, ich habe ein ganz komisches Gefühl bei der Sache und das hat mich noch nie getäuscht. Aber ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, was es ist – das weiß ich selber nicht.“
„Vielleicht gefällt dir nicht, dass es am Ende doch alles so schnell ging.“, sagte er ganz beiläufig, ohne Regung in seinem Gesicht oder in seiner Stimmlage.
„Nein ich habe den Typen heute verhört und der ist mir nicht geheuer.“
„Schatz es ist ein Serienkiller. Was erwartest du?“
„Schon. Nur…“
„Komm, du machst dir zu viele Gedanken. Sag mir lieber wie du mein neues Bild findest?“, er blickte sie sanft und liebevoll an.

Zwei Tage später saß Valerie ungeduldig auf ihrem Stuhl und drehte sich andauernd um sich selber, bis ihr so schlecht wurde, dass sie aufhören musste, nur um dann mit den Fingern schnell und nervös auf den Tisch zu klopfen, um sich dann wieder weiter zu drehen, wenn das Schwindelgefühl vorbei war. Gegen zehn kam Olimpia ins Revier. Sie ging wortlos an Valerie vorbei, holte sich einen Kaffee, setzte sich und begrüßte sie erst dann: „Guten Morgen Heldin.“
„Die Spüren stimmen nicht mit seinen Fingerabdrücken überein.“, platzte es aus ihr heraus, hätte man sie aber nicht sprechen gehört, hätte man nicht sagen können, ob sie sich bewegt hat.
„Was? Wovon sprichst du?“
„Die Spuren vom Tatort von Saskia Klein stimmen nicht mit den Werten von Kurat überein.“
Limpa schluckte.

 

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Jahresrückblick

Gerade las ich meinen jährlichen Jahresabschlussbeitrag von 2017. Es kommt mir vor als wäre das gestern gewesen – unfassbar wie schnell die Zeit vergangen ist.
Und es ist unfassbar, was sich alles geändert hat: ich hab mein Studium gewechselt und bin glücklich damit, war wieder in Russland, hatte den besten und längsten Sommer meines Lebens, bin scheiße glücklich generell, weiß mehr als sonst was ich will, ich bin wieder ich selbst – ohne Einschränkungen, habe wieder einiges gelernt, habe die Liebe kennen gelernt.
Natürlich war nicht alles positiv, aber das ist normal und die Hindernisse die sich mir jetzt stellen, gehe ich ganz anders an, als letztes Jahr noch – mit einer ganz anderen Einstellung und das ist fantastisch.
Allein, dass mein Motto dieses Jahr Leben ist schön gewesen ist, sagt doch schon alles.

Etwas was mich schon immer an mir gestört hat, dass ich mich schnell über unnötiges aufrege, das habe ich zum Teil verbessern können. Man sieht Dinge irgendwie jetzt öfter positiv und bevor man sich aufregt fragt man sich – ist das jetzt nötig – und meistens ist meine Antwort nein und einmal durchgeatmet sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Natürlich klappt das nicht immer, manchmal fuckt man sich eben über Dinge ab – und manchmal ist das auch ok und gerechtfertigt. Und das ist so cool, dass mir das aufgefallen ist, dass es sich verbessert hat, weil ich eben bewusst daran gearbeitet habe.
Macht ihr euch eigentlich bewusst was ihr alles gemacht habt? Was ihr neues gelernt habt? Wie ihr euch entwickelt habt? Wie ihr euch geändert habt? Was ihr erreicht habt? Nein? – Ja dann solltet ihr das vielleicht öfter mal tun. Uns fallen solche Prozesse der Veränderung bei uns selber kaum auf, wenn man sich nicht selbst reflektiert – und das sollte man eben nicht nur in die negative Richtung tun, also im Sinne, was hab ich alles falsch gemacht, sondern viel öfter mal wahrnehmen was man schon alles leistet und wie man gewachsen ist.
Das hört sich jetzt mega kitschig an – i know – so nach dem Motto: sich auch mal selber loben.
Aber wer macht das denn sonst (- wenn ihr nicht damit anfangt)?

Ich hätte jetzt auch noch aufzählen können was nicht so knorke lief, hab auch überlegt das mit einzubringen, um ein größeres Spektrum zu zeigen, wie es wirklich ist – aber dann – wozu? Letztes Jahr hab ich genug gemeckert, dass alles doof war – war auch richtig und wichtig aber this time is over now. Was ich aber sagen kann – jeder hat struggle und irren ist menschlich Punkt
– wisst ihr schon alles und mehr muss man dazu nicht sagen.

Bei dem Spruch only a positive mind will give you a positive life (oder so ähnlich, aber ihr wisst was ich meine) kriege ich ja schon einen leichten Würgereiz – genauso ausgelutscht wie Selbstliebe, UGG Boots und immer-ist-der-Russe-schuld-Witze – aber macht die Aussage (also die Aussage mit dem positive mind, nicht das mit dem Russen; nicht, dass wir uns da falsch verstehen) nicht unwahr.

2018 würde ich gerne so fröhlich wie möglich beenden – genauso wie es angefangen hat.

Deswegen sage ich euch abschließend: feiert schön den Jahreswechsel und feiert generell mehr, liebt euch, liebt andere, strebt nach mehr – setzt euch aber nicht unter Druck, genießt, lest, macht Yoga und seid tolerant.

Und denkt immer daran:

Leben ist schön.

– das hat schon die Hippie-Philosophin Emi immer gesagt