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Es geht darum was du daraus machst – 7. Kapitel

Mit einer bunt gemusterten Decke, zwei Kissen, etwas zu Essen und zu Trinken wartete ich, mitten im Park auf Gabriel. Ja, wir haben uns verabredet. Das Telefonat dazu verlief sehr merkwürdig, er hat angerufen.

Hallo?“

Tanja… du glaubst gar nicht…“

Nein Gabriel hör auf, ich weiß was du sagen willst. Es war so schon schwer abzuheben. Bitte! Ich kann mir vorstellen wie du dich fühlen musst…“

Schon gut, du musst nicht weitersprechen. Ich versteh schon. Wollen wir das nicht persönlich weiter besprechen?“

Mit persönlich meinst du ein Treffen?“

Ja klar was sonst? Ich dachte an ein Picknick.“

Picknick?! Du hast aber schon in letzter Zeit mal aus dem Fenster gesehen? Wir haben November!“

Ja dessen bin ich mir schon bewusst, aber es soll am Sonntag warm werden, also warm für November.“

Na gut.“

So saß ich also dick eingepackt da. Die Leute schauten schon ganz komisch. Kann man ihnen aber auch nicht übelnehmen, wer macht schon freiwillig ein Picknick im November? Abgesehen davon war es echt schön: es war wirklich relativ warm, fünfzehn Grad sogar, die Sonne schien, blauer Himmel, goldene Blätter überall, Leute gingen mit Kaffee spazieren, ein paar wetterfeste Vögel sangen in den Baumkronen ihre Liedchen. War doch keine schlechte Idee von ihm gewesen. Ich bin extra etwas früher gekommen um die Natur zu genießen, um etwas alleine zu sein und um zu überlegen wie es zwischen Gabriel und mir weitergeht. Mir darüber Gedanken zu machen hatte ich nämlich völlig verdrängt. Ich vermisse ihn, das muss ich zugeben. Ich liebe ihn immer noch, Gabriel hat mir immer gutgetan, hat mir immer halt gegeben und mich alles vergessen lassen – alles wahr. Wird schon schief gehen…

Kurz darauf kam er schließlich, mit einem Korb voller Essen und Wein. Er lächelte übers ganze Gesicht, meinte er freue sich riesig mich wieder zu sehen. Ich fühlte mich zunächst etwas unbeholfen, das merkte er natürlich. Er setzte sich erst, schaute mich aufmerksam an und umarmte mich. Ich versuchte die Umarmung zu erwidern fühlte mich aber eher wie ein Tollpatsch, weil ich doch nicht so recht wusste wie ich mich verhalten soll. Gabriel wusste meine ganze Geschichte, ich hatte es ihm alles erzählt auch wenn wir uns zu dem Zeitpunkt noch nicht so lange kannten, aber bei ihm hatte ich das Gefühl vollkommen ehrlich sein zu können ohne Verurteilt zu werden.

Ich merkte, wie er mich beruhigen wollte, er fing direkt an zu reden und seine Sachen auszupacken. Wir tranken und aßen. Es wurde dunkel und kalt. Er schaute mich an so als wollte er sagen: ‚Tanja rede endlich worauf wartest du!‘. Ich lächelte kurz und schüttelte den Kopf. „Was ist?“, fragte er.

„Ich weiß ganz genau was du denkst. Lass uns die Sachen zusammenpacken und im Laden was trinken. Wir haben ne neue Sorte Whiskey. Dann können wir über alles reden.“, antwortete ich.

Gabriel lächelte und nickte. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg und erinnerten uns an die gemeinsame Zeit, es war zwar nicht sehr lange gewesen, aber einige witzige Dates hatten wir schon, worüber wir heute lachen können.

Als wir angekommen sind, legte ich einfach los und sprach frei von der Leber weg, die Wörter sprudelten einfach nur so heraus, vielleicht lag es am Alkohol: „Gabriel zuerst muss ich sagen wie toll du dich verhalten hast, du gabst mir meine Zeit, meinen Raum, warst trotzdem immer da und ich habe mich immer so gefühlt als würdest du dich um mich sorgen und kümmern. Ich bewundere deine Geduld mit mir.“

„Das nennt man Liebe.“, er nahm ein Schluck vom Whiskey.

Ich kicherte. „Jedenfalls geht es mir immer gut, wenn du da bist, sowie auch heute.“

Er nahm meine Hand und lächelte.

„Mehr oder weniger habe ich meinen Rhythmus wiedergefunden. Ich denke ich kann mit dem Vergangenen endlich abschließen.“

„Wird auch Zeit.“, er drückte meine Hand fester.

„Ja und ich weiß, dass du zu meinem normalen Leben einfach dazu gehörst und ich ohne dich einfach nicht sein möchte.“

Er legte den Kopf zur Seite, als würde er ganz aufmerksam zuhören und machte ein sehr erleichtertes Gesicht. Ich erzählte Gabriel von der Begegnung neulich mit Elijah und ich sprach noch etwas weiter, dass ich ein Idiot war, dass ich ihn verstoßen habe, wie ich mich verhalten habe, dass das absolut dämlich war und dass ich zur Normalität zurückkehren will.

„Es macht mich so glücklich dich endlich wieder zu sehen und noch mehr, dass du mit mir sein willst.“

In diesem Augenblick kamen mir Tränen der Erleichterung. Darauf antwortete er mit einem Kuss. Er küsste mich erst langsam und zart, so dass sich unsere Lippen kaum berührten, dann etwas mutiger. Ich erwiderte seine Küsse leidenschaftlich und war endlich angekommen.

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Es geht darum was du daraus machst – 6. Kapitel

„Tanja? Tanja bist du es echt?“

„Frau Eras wie schön sie zu sehen.“

Ich ging um die Theke und umarmte diese herzensgute Frau. Frau Eras war seit dem ersten Tag des Saftladens Kundin. Sie bestellt immer Karotte-Apfel oder Orange-Limette-Banane. All unsere Säfte machten wir ganz frisch ohne jegliche Zusätze. Was unseren Laden ausmacht und was die Kunden loben ist das besondere Obst. Wir bestellten alles was geht aus der Region und die exotischen Sachen, nur von bester Qualität von kleinen Bauern, die die Früchte ohne Genmanipulation und ohne Pestizide anbauen. Mein Lieblingssaft ist Traube-Minze-Johannisbeere mit extra Eiswürfeln.

„Kind ich habe mir solche Sorgen gemacht, endlich bist du wieder da.“

Ich lachte nur verlegen: „Frau Eras was kann ich ihnen anbieten? Jetzt im Herbst und Winter haben wir verschiedene selbstgemachte Früchtetees. Bei dem Wetter kann man keine Säfte trinken. Und beim Bäcker von Gegenüber haben wir kleine Früchteküchlein bestellt.“

„Du willst also nicht über deine Zeit in Abwesenheit reden?!“, sie mustert mich kritisch, „Dann reich mir mal die Karte mit den neuen Sachen.“

Frau Eras studierte die Karte und ich machte etwas sauber. Es war noch vor zwölf, der Morgenansturm war vorbei.

Frau Eras ist im Sommer sechzig geworden, ihren Geburtstag haben wir hier im Laden gefeiert. Da hat noch niemand geahnt wie schlecht es mir schon ging. Frau Eras feierte mit ein paar Freunden von der Arbeit und ein paar Mitarbeitern aus dem Laden. Ihren Mann hat sie leider schon verloren und ihre einzige Tochter wohnt wegen Recherchen für ihr neues Buch in Peru und konnte leider nicht weg, erst über die Weihnachtstage schafft sie es.

Frau Eras war eine Frau der alten Schule. Sie verkörperte pure Eleganz. Heute zum Beispiel an diesem regnerischen Donnerstag in Berlin im Oktober hatte sie einen durchsichtigen Regenschirm, einen kurzen schwarzen Trenchcoat, darunter einen einfachen schwarzen Rollkragenpullover, eine schwarz-weiß karierte Hose, bordeaux rote Stiefel mit einem kleinen Absatz, einen grauen Wollschal und zu den Schuhen passend eine Tasche. Die Haare hatte sie ganz kurz und schon grau. Ein dunkler Lippenstift war muss. Sie sah einfach immer edel aus. Mit ihrem Mann hatte sie eine Firma die Autoteile herstellte aber, als ihr Mann letztes Jahr starb, verkaufte sie die Firma und machte sich ein entspanntes Rentnerleben. Früher kamen sie oft zusammen. Sie waren auch nach fast vierzig Jahren Ehe noch so verliebt wie am ersten Tag. Während Frau Eras immer Säfte trank, wollte er immer Kaffee (den gibt es normalerweise im Laden nicht zu kaufen, sondern war für die Mitarbeiter in der Pause gedacht, aber Herr Eras konnte man einfach nicht nein sagen), ganz selten nahm er mal Kirschsaft mit einem Schuss Whiskey, den wir extra für die beiden in unser Sortiment genommen haben.

„Einen Kirsch-Whiskey und einen Apfeltee.“

Erst beim Servieren merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte.

„So früh schon einen trinken?“, ich zog eine Braue hoch.

„George hat heute Geburtstag. Um diese Zeit letztes Jahr war er schon Tod.“

„Stimmt. Dann sollten wir anstoßen.“, das Grinsen verschwand.

Ich machte mir den gleichen Drink. Mila schaute mich ganz vorwurfsvoll an als sie das sah. Ich deutete mit dem Kinn auf Frau Eras. Als sie begriff worum es geht, machte ich ihr auch einen Kirsch- Whiskey.

„Ruhe in Frieden Herr Eras und happy Brithday.“, sagte Mila.

„Herzlichen Glückwunsch. Wir vermissen sie jeden Tag.“

Frau Eras hob ihr Glas: „George mein Schatz, ich hoffe es geht dir gut. Hab einen schönen Geburtstag! Den Mädels geht es gut. Ich habe dir von Tanja ja erzählt, dass sie Probleme hatte aber es geht ihr wieder gut und sie ist wieder im Laden. Du bist nicht mehr da, obwohl ich dich jeden Tag brauche. Das einzige was hilft ist mit dir zu reden. Mehr als ein Jahr bist du fort doch meine Liebe zu dir hält immer noch und das wird sie auch für immer. Mädels ich wünsche mir für euch, dass ihr einen Mann findet der zu euch so gut ist wie George zu mir, dann macht es euch nichts aus ihn zu lieben, wenn er nicht mehr da ist.“

Wir hatten alle Tränen in den Augen und tranken unseren Whiskey.

Neue Gäste kamen rein also packte ich die Gläser schnell weg und wischte mir über die Augen.

„Hallo, was darf’s sein?“

„Hallo, ich sehe sie haben eine neue Karte?!“

„Ja die kalte Jahreszeitkarte mit Früchtetees und Küchen vom Bäcker gegenüber.“

„Oh hört sich super an. Schatz was willst du?“

„Erdbeerkuchen Mama Erdbeerkuchen“

„Na Sommer ist vorbei. Es gibt keine frischen Erdbeeren mehr.“

„Ja wir haben zwar keinen Kuchen mit frischen Erdbeeren aber dafür mit Erdbeermarmelade. Echt lecker.“

„Erdbeerkuchen Mama!!“, sagte der Junge erneut der gar nicht über die Theke schauen konnte.

„Gut dann hätten wir gerne zwei Mal Erdbeerkuchen, einmal den Tagessaft für den kleinen und einen Ingwer-Zitronen-Tee für mich.“

„Heute ist der Pfirsich-Mango-Mandelmilch im Angebot als Tagessaft. Was sagst du?“, ich schaute zu dem kleinen rüber.

„Mandelmilch hab ich noch nie getrunken.“

„Es wird dir schmecken.“, sagte ich.

Mila nahm schon die nächste Bestellung auf, als er plötzlich rein kam. Ich war überfordert ihn jetzt schon zu sehen. Wie soll ich mich verhalten? Und was will er hier?

„Hallo Elijah.“, sagte Mila als er an der Theke kann. Sie huschte nach vorne, schaute mich mit großen Augen an und zuckte mit den Schultern, sie war mindestens genauso überrascht wie ich ihn hier zu sehen.

„Hallo Mila, wie geht’s?“

„Gut. Was machst du hier?“

„Ich habe Mike im Fitnessstudio getroffen und er hat erzählt Tanja arbeitet wieder da wollte ich selber schauen wie es ihr geht.“

„Ach da dachtest du, du kannst hier einfach so rein spazieren?“

Mila wurde lauter aber ich hörte gar nicht hin. Ich wich ein Schritt zurück, ich war überhaupt nicht bereit ihn zu sehen. Ich atmete ganz verkrampft, bekam kaum Luft, verfiel in Schnappatmung, ging immer weiter zurück, meine Augen wurden immer größer, jetzt mischte sich Frau Eras ein, wollte Mila beruhigen die Elijah gerade zum Teufel schickte.

„Mila es reicht!“, sagte ich, sie dreht sich um, atmet tief durch und widmete sich wieder den Kunden. Abermals ging ich um die Theke aber diesmal raus an die frische Luft. Naja frisch war anders. Auto um Auto fuhr an mir vorbei. Elijah kam aus dem Laden, ich seuftze.

„Tanja sorry, dass ich hier einfach so aufkreuze, das war echt unüberlegt. Aber ich musste mich vergewissern, dass es dir besser geht.“

„Ja Elijah es geht mir echt wesentlich besser, Mila und meine Familie haben mir geholfen. Langsam kann ich abschließen mit dem was war.“

„Denkst du, du schaffst das weiterhin alleine, ohne professionelle Hilfe?“

„Was?“, ich runzelte die Stirn.

„Vielleicht solltest du eine Therapie machen. Das würde dich sicher weiterbringen.“

„Das hätte ich von meinen Eltern erwartet aber, dass du das sagst, dass ich nicht lache.“

Er wurde rot: „Ich will dir doch nur helfen Tanja.“

„Danke aber ich pack das schon. Sonst noch was?“

„Ja, Mike hat mir von Gabriel erzählt.“

„Hätte ich lieber nicht gefragt.“

„Nein, nein ich will dir keine Vorwürfe machen. Ich will nur, dass du glücklich bist. Denkst du ihr versöhnt euch wieder?“

„Keine Ahnung, ich weiß nicht ob eine Beziehung jetzt das Richtige für mich ist.“

„Hmm… versteh ich. Mach was am besten für dich ist.“

„Danke.“

Er lächelte, kratze sich am Kopf und ging wieder.

„Und was hat er gesagt?“, Mila schaut mich ganz erwartungsvoll an.

„Er wollte nur nach mir sehen und hat gesagt er hat kein Problem mit Gabriel.“

„Das war’s?“

„Ach ja und ich soll eine Therapie machen.“

„Autsch. Das tut weh.“

„Der denkt ich bin verrückt.“, ging durch den Laden und warf die Hände hoch, „Der denkt echt ich bin verrückt.“

„Nein hör auf! Geh wieder an die Arbeit!“

Frau Eras schaute mich aufmunternd an: „Noch ein Whiskey?“

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Es geht darum was du daraus machst – 5. Kapitel

Wie findest du es Tanja?“, fragte mich Mike, als wir beim Haus angekommen waren. „Ich lass es erstmal wirken. Lass es uns erst von innen sehen bevor wir urteilen.“

Mike schaute mich ganz aufmerksam an: „Geht es dir wirklich gut genug? Wir müssen das nicht machen. Ich weiß, dass das viele Leute für deine Verhältnisse sind.“

Ich lachte verkrampft: „Quatsch mir geht es gut.“

Mike atmete laut aus und räusperte sich, man merkte seine Anspannung. Wir gingen rein. Es waren wirklich viele Leute bei der Besichtigung, ich fing an flacher zu atmen. Wir gingen mit allen durchs Haus. Es war sehr schön aber nichts für Mike. Es sah zu normal aus. Er brauchte etwas Modernes. Als die grobe Führung vorbei war schlenderten wir zur Küche und wollten zur Terrasse. In der Küche stand er dann, ganz alleine, Jeans und blaues Hemd, schicke schwarze Schuhe, große silberne Uhr, locker fallende braune Haare, blaue Augen, ein Lächeln auf den Lippen. Unsere Blicke trafen sich direkt. Ich fühlte mich ganz komisch, drehte mich um, wobei mein Bruder hinter mir stand und ich ihn fast umgestoßen hätte. „Ey pass doch auf!“

Peinlich! Er grinste machte die Tür zur Terrasse auf und deutete mit der Hand ich sollte raus. Ich suchte die Augen meines Bruders aber er schubste mich einfach und ging aus der Küche nach links die Treppe hoch ins Obergeschoss.

Ich war so unsicher, was hat er bloß in mir gesehen? So dass er mich gar nicht gehen lassen wollte, dachte ich jetzt im Nachhinein.

Ich bin Gabriel.“, er reichte mir die Hand.

Tanja.“, ich wurde verlegen.

Ja der wollte wohl nicht mit dir flirten.“, lachte er.

Genau“, ich sammelte mich und versuchte lässig zu wirken, „bin anscheinend nicht sein Typ.“

Tja jetzt habe ich die Chance dafür.“

Ach ja? Gehst du oft auf Hausbesichtigungen um Weiber klar zu machen?“, ich bin cool redete ich mir ein.

Ja schon… Clubs sind mir zu Mainstream und die richtig geilen Milfs gibt es eben nur hier. Und ab und zu trifft man auch ne geile junge Schnecke wie dich.“

Ich musste grinsen. Ich fühlte mich gleich wohl mit Gabriel und vergas alles um mich herum. Wir plauderten über belangloses Zeug. Er ist selbstständig und wollte eigentlich aus einem Haus ein schönes, gemütliches Bürogebäude für sich und seine Mitarbeiter machen. Auch mal ne Idee… Ich berichtete ihm im Gegenzug von meinem Saftladen. Auf Anhieb war er begeistert und meinte er würde mich auf jeden Fall besuchen.

Ach übrigens, der Typ aus der Küche der nicht mit mir flirten wollte.“

Ja was ist mit dem?“

Der ist mein Bruder.“

Oh Mist.“, abermals lachte er, wir verabschiedeten uns so kam bei der Besichtigung doch was Gutes raus.

Und wie ist er so? Habt ihr euch gut verstanden?“, fragte Mike im Auto.

Ja er ist ganz nett, auch selbstständig.“

Du kriegst ja das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Süß. Genauso als du fünfzehn warst und dich voll in Jonas verknallt hast.“

Mike hör auf!“, ich musste lachen, „Männer können mir gestohlen bleiben.“

Das Telefonat mit meinem Bruder war jetzt zwei Tage her. Mir ging es schon sehr viel besser. Ich habe ganz normal gearbeitet und freute mich auf morgen. Mittwochs hat der Laden nämlich immer zu. Meine Mitarbeiter waren heil froh mich munter und Witze machend wieder zu sehen. Ich schaute aus dem Fenster, schon wieder Regen. Wie lange soll das noch so weitergehen? Mist Wetter! Ich weiß nicht wieso aber beim Blick aus dem Laden musste ich mich erinnern wie ich Gabriel kennen gelernt habe. Wie er sich jetzt wohl fühlt? Was er jetzt wohl macht? Ich griff schon nach meinem Handy, packte es aber ruckartig weg, als wäre es giftig.

„Tanja kommst du?“, Mila entriss mich aus meinen Gedanken. Zuhause angekommen fing ein riesiges Gewitter an, sogar das Bild beim Fernseher verschwand. Eigentlich wollten wir ausgehen aber es war viel zu stürmisch. Stattdessen kochten wir was Leckeres und tranken eine Flasche Wein.

„Tanja, Gabriel hat sich bei mir gemeldet.“

Ich hielt inne.

„Ja ich weiß. Jedenfalls hat er gefragt ob er sich melden darf oder ob es noch zu früh ist. Wie süß ist der denn bitte?!“, Mila war ganz begeistert und plapperte weiter.

Ich nickte abwesend.

„Vielleicht ist es sogar gut sich mal wieder mit ihm zu treffen. Durch uns geht es dir ja auch viel besser.“

„Vielleicht hast du recht.“

„Du vermisst ihn schrecklich oder? Und du hast keine Ahnung wie du ihm gegenüber stehen sollst nach all dem?“

„Ja.“, ich hatte einen Kloß im Hals.

„Tanja ich weiß es ist schwer aber er liebt dich und wird dir alles liebend gerne verzeihen, glaub mir. Er hat gesagt er will dich einfach wieder so wie du warst, so wie du bist. Wir sind alle Menschen. Er versteht das.“

Ich saß hinten im Büro und machte die Buchhaltung als Gabriel reinkam. „Na wieder fleißig?“, er wollte mich umarmen und mir ein Kuss auf die Stirn geben, doch ich blockte ab.

Gabriel! Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht herkommen sollst. Das ist meine Arbeit.“

Aber ich vermisse dich und du willst ja nie mit mir aus.“

Ich vermisse dich auch, wie verrückt aber ich kann einfach nicht. Wir können nicht zusammen sein.“

Ja Mila meinte es geht dir schlechter, sie soll sogar ausziehen. Findest du das nicht übertrieben?“

Das ist doch wohl meine Sache! Bitte las mich einfach in Ruhe. Das mit uns wird nie klappen, versteh es doch endlich.“

Er lachte: „Wen willst du hier eigentlich anlügen? Mich oder eher dich? Tanja mach es doch nicht unnötig schwer. Ich will dir doch helfen. Unter deinem ganzen Getue steckt ein ganz normaler Mensch, den ich liebe.“

Welch Ironie: in dem Moment wo ich Schluss mache sagst du mir, dass du mich liebst.“

Und welch Ironie das ist, dass du Schluss machst obwohl du das gleiche fühlst wie ich.“

Mit diesen Worten ging er und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.

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Es geht darum was du daraus machst – 4. Kapitel

Meine Hände zitterten und meine Knie wurden weich. „Tanja was ist eigentlich gestern Abend passiert?“, Mila schaute mich fragend an. Ich starre meine Hände an und konnte nicht aufhören zu zittern. Ich atmete ganz tief durch, schlucke und richte meinen Blick gerade aus: „Gestern Abend beschloss ich meinen freien Freitag zu nutzen und um die Häuser zu ziehen. Ich war bei Rick in der Bar, wie immer und er, der Blödmann, er hat mir eine Predigt gehalten, genauso eine wie du am Nachmittag.“, Mila drehte sich kurz zu mir mit verdrehten Augen, „Jedenfalls bin ich dann spazieren gegangen zu all meinen Lieblingsplätzen und landete irgendwann hier“.

„Aber … mit den Schuhen?“, Mila blickte mich wieder fragend an, „Warum Tanja?“

Darauf hatte ich keine Antwort aber ich erzählte ihr von meinem verrückten Traum. „Ich sag jetzt einfach mal, dass ist das erste Zeichen, dass du wieder Arbeiten musst.“, sie lachte. „Sehr witzig Mila.“, ich atmete abermals tief durch aber es brachte nichts ich zitterte am ganzen Leib. Mila schaute mich an: „Was ist bloß los mit dir?“

„Ich kann einfach nicht aufhören zu zittern.“

Plötzlich kam alles wie aus einem gebrochenen Damm. Ich heulte, wieder mal, wie ein Kind.

„Schatz beruhige dich, alles gut.“, Mila klammerte sich mit beiden Händen ans Lenkrad und presste die Lippen fest zusammen. Sie hielt am Straßenrand an, stieg aus, ließ ihre Tür offen. Die kalte Luft strömte unmittelbar ins Auto, bei meiner Seite angekommen öffnete sie auch diese und nahm meine Hand. Ich stieg aus und sie nahm mich einfach ganz fest in den Arm. „Tanja wir alle können nicht verstehen was du durchmachst aber wir lieben dich. Ich liebe dich. Dein Bruder Mike liebt dich. Gabriel liebt dich. Elijah liebt dich immer noch. Deine zehn Mitarbeiter lieben dich und noch so viele mehr. Und du liebst uns auch. Deswegen müssen wir füreinander da sein egal wo der andere auch sein mag, ob auf Reisen oder einem Trip der anderen Sorte. Verstehst du? Du musst einfach loslassen. Wir fangen dich auf.“, flüsterte Mila mir ins Ohr. Ich drückte sie noch fester an mich und vergrub mein Gesicht in ihren blonden Locken. „Mila …“, ich schluchste laut auf.

Wir standen noch eine Weile am Straßenrand bis ich mich beruhigt hatte. Es wurde schlagartig sehr kalt. Ich hatte nur mein kleines Schwarzes an und einen langen grauen Kaschmir Cardigan, den Mila zum Glück noch im Auto hatte und natürlich meine High-Heels. Ich lehnte mich an einen Baum. Meine Füße brannten höllisch. Ich hatte riesige Blasen an den Fersen bekommen. Meine Haare sahen einfach nur schrecklich aus, als hätte ich drei Tage nicht geduscht und gleichzeitig währenddessen in die Steckdose gepackt. Der Himmel wurde dunkel, Wolken zogen auf. Es wurde windig. „Komm wir fahren, es regnet sicher wieder gleich.“, sie schaute mich aufmunternd an. Ich nickte nur. Mila war schon wieder in der Wohnung eingezogen und wich mir nicht mehr von der Seite. Nach einer Peperoni-Lieferpizza ließ ich mir ein Bad ein, legte mich anschließend ins Bett und las ein wenig. Mila kam rein und setzte sich an die Bettkante. „Morgen ist Sonntag. Hast du was vor?“

„Möchtest du wissen, ob ich vor habe Amok zu laufen?“

Sie lachte: „Nein, um Gottes Willen, nein. Ich dachte wir betreiben etwas Online-Shopping und du rufst Mike und deine Eltern an.“

„Das hört sich doch vielversprechend an.“, ich lächelte sie nickend an.

„Gut Tanja. Gute Nacht.“

Sie legte mir die Hand tröstend auf die Schulter und machte die Tür hinter sich zu.

„Hallo Mike.“

„Tanja? Bist du es?“

Ich schluckte und schloss meine Augen.

„Ja ich bin es. Wie geht es dir?“

Lange Pause.

Mike schluckte: „Gut soweit. Veronika und ich haben ein hübsches Häuschen gefunden.“

„Wow das freut mich.“, ich friemelte am Teppich rum.

„Ja aber das ist egal. Wie geht es dir?“, er redete nun langsamer und leiser weiter, „Ich konnte dich überhaupt nicht erreichen.“

„Vielleicht wollte ich das so.“, mein Hals wurde trocken.

„Ist mir schon klar, dass das dein Plan war. Hast du dabei mal an uns gedacht? Ich will dir gar keine Vorwürfe machen. Ich bin einfach froh von dir zu hören. Hast du Mum und Dad schon angerufen?“

„Noch nicht, aber ich hatte es gleich vor.“

Mila schaut mich aufmunternd an.

„Grüß Veronika von mir.“

„Sie hört gerade mit. Ich hoffe das macht dir nichts aus, aber sie macht sich auch Sorgen.“

„Nein, nein schon in Ordnung, es ist ja meine Schwägerin, stimmt’s Veronika?“

Man hörte an der Stimme, dass sie weinte: „Komm uns bitte bald wieder besuchen. Die Kinder vermissen ihre Tante.“

Ich musste mich erstmal sammeln, damit, dass Veronika weinte hatte ich nicht gerechnet.

„Ehm.. ja … ja Veronika werde ich ganz bald machen. Dann grillen wir wieder.“, meine Augen wurden feucht, ich legte den Kopf zurück in der Hoffnung, dass die Tränen von selber wieder zurück laufen würden. Sie schluchste, es kam nicht gleich ein verständliches Wort heraus: „Ich freue mich so, Tanja.“

Man hörte jetzt deutlich wie sie weinte. Einer ihrer Kinder murmelte etwas, Veronika antwortete nur es sei alles gut. Mike nahm das Telefon wieder. Meine Augen wurden feucht und meine Unterlippe zitterte, ich schaue Mila an in der Hoffnung, dass sie mir hilft. Sie deutet mir Stark zu bleiben.

„Tanja bist du noch dran?“

Ich räusperte mich und wechselte die Sitzposition auf dem Teppich: „Ja Mike ich bin noch da.“

Er sprach wieder sehr leise: „Tanja wir warten alle auf dich bei uns zuhause. Mila kann auch kommen, wenn sie mag.“

„Danke Mike, ich werde kommen.“

Mila lächelte zufrieden, dass man sie auch eingeladen hatte.

Mein Bruder Mike ist zehn Jahre älter als ich, hat eine wunderschöne Frau namens Veronika, hat zwei Lausebengel als Söhne und wie er gerade berichtet hat werden sie bald ein Haus kaufen. Mike ist Architekt, also wird das Haus ein Traum so wie ihre Wohnung jetzt, da bin ich mir sicher.

Er ist etwas kleiner als Veronika aber es stört sie nicht, er hat eine natürliche Bräune und die gleiche Augenfarbe wie ich – dunkelgrün. Sein drei-Tage-Bart ist ein Muss und er redet immer so leise. Mike hat immer auf mich aufgepasst und besonders in meiner rebellischen Phase, da hat er mich immer abgeholt und auf mich eingeredet ich soll weniger trinken und kiffen. Dann lernte ich Elijah kennen und Mike konnte sich entspannen. Jetzt musst du auf sie aufpassen, hatte er ihm gesagt als er Elijah kennen gelernt hat. Elijah hat erst viel später verstanden was genau Mike damit gemeint hat. Er wollte sich eigentlich nicht von mir trennen, aber in meiner Verfassung fand ich das für angebracht. Buchstäblich ein paar Tage später traf ich Gabriel, als ich mit meinem Bruder auf einer Hausbesichtigung war. Ich wollte nichts mit Männern zu tun haben, sondern erstmal mit mir selber klarkommen. Zu dem Zeitpunkt war alles noch nicht so schlimm. Gabriel ließ aber nicht locker und besuchte mich oft im Laden, auch wenn ich ihm immer wieder sagte, dass ich nichts von ihm will, was natürlich eine Lüge war. Ich verliebte mich nämlich sofort in ihn. Wir einigten uns darauf erstmal Freunde zu bleiben bis ich wieder ich selber war. Das konnte natürlich nicht lange gut gehen. Gabriel wollte mehr, ich auch – aber für mich ging das einfach nicht. Ich habe mir eingeredet ich muss alleine mit meinen Problemen klarkommen und die anderen können mit nicht helfen, sollen mir nicht helfen. Also beschloss ich das alleine zu schaffen und bat Mila für ein paar Tage auszuziehen. Daraus wurden zwei Wochen. Ich habe gemerkt wie traurig ich damit alle gemacht habe und ich will selber nicht mehr traurig sein. Schließlich können wir das ja selber entscheiden.

„War doch ganz einfach.“, sagte Mila nach dem Gespräch mit meinem Bruder.

Ich lachte etwas verkrampft: „Ganz einfach.“

Ich rief auch meine Eltern an. Natürlich brach meine Mutter in Tränen aus. Wir sprachen über mich, wie es weitergeht (und zwar so wie früher, es wird fleißig gearbeitet). Wir redeten über das miese Wetter (es regnete schon wieder), über Fußball (mein Vater ist ein großer Fan und wollte ich stets auf dem neusten Stand halten). Sie fragten nach Mila, nach dem Saftladen, wie es läuft, machten Witze zusammen. Mila war für sie wie ihr drittes Kind. Wir verabredeten uns am nächsten Freitag im Laden zum Frühstück. Ich war mehr als erleichtert, dass es so einfach war, wieder mit meinen Eltern zu reden. Ich merkte wie alleine ich war und wie sehr ich meine Freunde und Familie brauchte. Um Gabriel oder geschweige denn Elijah anzurufen war ich noch nicht so weit, immer eins nach dem anderen. Für den Augenblick war ich zufrieden den ersten Schritt zu mir selbst gemacht zu haben.

Nächstes Kapitel

Es geht darum was du daraus machst – 3. Kapitel

Ich schlenderte durch die Nacht, durch die Stadt, es war mehr als kalt und verdammt unbequem auf den hohen Schuhen doch trotzdem ging ich zu allen besonderen Plätzen in meinem Leben. Ich ging zum Laden wo ich arbeitete, es hat mir so gefehlt. Ich ging zur Uni, wo ich mein Jura Studium anfing und wegen dem Laden wieder schmiss. Ich ging zu meiner liebsten Boutique, mein halber Kleiderschrank ist von dort. Wann war ich das letzte Mal da? – Schon zu lange her. Ich ging zum Haus meiner Eltern, wo ich aufgewachsen bin. Ich ging zur Wohnung meines Bruders, also daran vorbei. Ich ging zum Park, wo ich die meiste Zeit mit meinen Freunden verbrachte. Ich ging in die Innenstadt, an allen Clubs und Bars vorbei, früher war ich jedes Wochenende betrunken hier auf und ab gehüpft zur Musik, die man noch aus den Clubs hören konnte. Manchmal bin ich gestolpert und gefallen Mila und die anderen haben mich immer ausgelacht und Eliajh hat mich dann immer wieder hochgehoben und ein Kuss auf die Stirn gegeben und gefragt ob ich lieber nachhause will. Ich rülpste, die Mädels jubelten und ich tanzte weiter. Gott, ich war so peinlich kein Wunder, dass er das Weite gesucht hat. Aber auf meinem Ausflug sah ich genug Mädels die genauso peinlich waren. Ein junger Mann kam schwankend auf mich zu: „Baby, Baby warte! Komm her!“. Ich schubste ihn weg, er fiel und lachte. „Was gibt es da noch zu lachen?“, murmelte ich vor mich hin. Ich lief ein paar Schritte, schaute nochmal hinter mich, atmete tief durch und ging wieder normal weiter. Die Innenstadt verlassend ging ich zur Spree. Ich setzte mich auf eine Bank und atmete die noch vom Regen feuchte Luft ganz tief in meine Lunge. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Die Stadt blinkte, leuchtete, pulsierte, lebte. Was tat ich die letzte Zeit? Genau das Gegenteil. Kurz bemitleidete ich mich selber aber dann wollte ich mich plötzlich fast selber schlagen, weil es ja in meiner Hand lag. Ich lachte den Kopf schüttelnd. Es hörte auf zu Regnen und die Vögel wurden wach. Die Sonne legte sich langsam über die Dächer und meine Augen wurden ganz schwer.

Ich fand mich auf einem riesigen Feld. Der Himmel grau. Wind bläst mich fast um. Ich stemme mich mit aller Kraft dagegen. Wende meinen Kopf zur Seite und sehe einen Drachen steigen. Ich strecke meinen Kopf höher um den Drachen besser sehen zu können, war wie im Rausch. Ich wehrte mich nicht mehr, wollte mich einfach fallen lassen, doch stattdessen bin ich einfach abgehoben. Ich flog genau wie der Drache. Und ich war auch nicht mehr auf dem Feld, sondern über der Stadt. Es war hell und ich konnte alle Leute sehen wie sie ihrer Arbeit nachgingen. Ich flog immer höher und kam rückwärts mit dem Hinterkopf im Wasser auf. Das Wasser zog mich immer weiter nach unten, oben sah ich noch die Stadt. Das Wasser war dunkel man konnte nichts sehen. Je tiefer ich sank, desto weniger Luft bekam ich. Ich strampelte wild mit Armen und Beinen aber ich sank immer weiter. Bis ich dann mit dem Rücken auf Asphalt landete. Ich spürte den Aufprall in jedem Knochen, hustete Wasser aus. Ich stand auf und sah nichts um mich herum außer die Straße und nichts als Einöde. Man konnte nichts am Horizont erkennen. Die Sonne knallte von oben. Das Licht stach in meine Augen und behinderte die Sicht. Ich versuchte der Straße zu folgen, doch kam immer wieder ab und ging immer neben ihr her. Meine Füße bluteten von den Steinen am Wegesrand, der Schweiß floss, wie ein Wasserfall an mir runter. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und konnte nur noch kriechen. Es wurde immer schwerer bis ich mich schließlich einfach hinlegte und die Augen schloss.

Die Vögel zwitscherten immer lauter, ich sprang von der Bank und hielt mich am Kopf der zu zerplatzen drohte. Was zur Hölle mache ich hier? Es war hell, die Sonne schien und auf dem Handy stand sieben Uhr. Ach du scheiße… Ich habe die ganze Nacht hier geschlafen. Ein Wunder, dass ich nicht beraubt wurde. Ich erinnerte mich an meinen Traum, ich fühlte mich so leicht, wie betäubt, mir war alles egal, so als wäre es selbstverständlich über Häuser zu fliegen. Warum habe ich solche Kopfschmerzen? Ich habe gestern nichts getrunken. – Also für meine Verhältnisse nichts. Ich fühlte mich so alleine, ich wollte nicht alleine sein. Ich rief Mila an und bat sie mich abzuholen. Sie war total verwirrt, als ich berichtete wo ich gelandet bin, aber sie kam sofort.

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