preloder

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Ne blaumachen war natürlich keine Option, als vorbildliche Angestellte habe ich mich gestern Abend natürlich auf diese scheiß Präsentation vorbereitet und sie auch heute morgens mit Bravur hinter mich gebracht. Jedenfalls nach einem halbwegs produktiven Arbeitstag saß ich schließlich nach Feierabend noch vor dem Bürokomplex auf einer netten Bank unter einem Baum und aß mein Abendbrot. Die Präsentation verlief optimal, ja ehrlich ich mein ich habe das Projekt erarbeitet wieso sollte ich das nicht hinkriegen? Das Schlimmste war heute eigentlich nur, dass alle zu mir kamen und fragten wo ich den gestern war. Diese neugierigen Mistkäfer! Der Chef konnte sich anscheinend auch keine plausible Ausrede einfallen lassen…. blieb dann wieder mir überlassen. Und danach durfte ich mir jedes Mal anhören wie froh sie doch sind, dass ich wieder da bin und es nichts Ernstes war…. diese Heuchler. Und diese schmierigen Typen die meine Idee vielleicht kaufen wollten heute beim Meeting- ekelhaft. Hätte ich einen Rock statt ner‘ Hose angehabt wäre denen allen Sabber aus den Mundwinkeln getropft…. wirklich interessiert an der Sache waren sie aber echt nicht…. wahrscheinlich wird das nichts, aber erstmal wollen die natürlich noch meinen Chef und mich auf ein Geschäftsessen einladen sie müssen ja mit ihm alle Einzelheiten besprechen, ich bin ja nur das weibliche Helferlein und nach dem Essen sagen sie ihm dann aber wenigstens persönlich, dass sie zu geizig für so ein geiles Projekt sind. Ja …ja… immer dasselbe hier…. kein Wunder, dass ich anfange zu trinken und mit dreißig noch Single bin ich ja auch nur, weil die Boys in ner‘ Großstadt nur eins wollen- nämlich vögeln. Wie findet man hier bitte jemanden zum Heiraten? – Auch, wenn die Auswahl so groß ist. Aber ne‘ Kleinstadt ist auch nicht besser- da hast du gar keine Auswahl. Naja vielleicht habe ich zu große Ansprüche und bin nicht für eine lange, glückliche und kinderreiche Ehe gedacht. Es gibt ja Leute die alleine bleiben- ist das dann traurig? Aber wenn sie doch glücklich sind? Ich fange schon wieder an Unsinn zu spinnen- das sollte ich echt lassen bei vollem Magen, da rede ich immer nur Quatsch. Wie angekündigt habe ich mir erstmal eine Woche Urlaub genommen, aber keinem was gesagt die hätten mich sonst echt nicht in Ruhe gelassen heute. Ich denke ein paar Tage muss ich echt wieder zu klarem Verstand kommen und danach kann man noch schauen ob ich die restlichen Tage noch weg fahre … Wellness oder so. Ich würde doch immer noch sehr gerne wissen was vorgestern passiert ist… Ich schnappte mir mein Handy und schaute nochmal durch die Anrufliste an dem Abend- der unbekannte Charmeur- die unbekannte Nummer- man kann es ja versuchen.
„Hallo?!“
„Hallo, hier ist Rita. Kann es sein, dass du der …. ehm Dings … der Brad Pitt aus der Bar bist? Nein Ben! Ja Ben aus der Bar von vorgestern?“
„Ja ich bin Ben.“
„Was ein Glück ich doch habe! Super Ben! Also ich will jetzt nichts Sexuelles von dir oder so… das war echt peinlich von mir. Ich wollte dich nur fragen… auch wenn sich das bekloppt anhört, was passiert ist als meine Freunde die Bar verlassen haben. Ich kann mich echt nicht erinnern und um es kurz zu fassen sind echt abgefuckte Sachen passiert.“
„Puuu da fragst du was… ich war auch ganz schön Hacke und wollte den Abend eigentlich so schnell wie möglich vergessen… was ich noch weiß ist, dass wir beide noch weiter getrunken haben.“
„So weit so gut…“
„Ja …. und dann … dann … ach ja dann musstest du plötzlich weg … ja genau es war schon dunkel und du wolltest noch wo hin und meintest, wenn ich Brad Pitt wäre soll ich dich bis nach zu Hause begleiten aber habe ich ehrlich gesagt leider nicht gemacht … ich wollte einfach nach Hause. So ja dann bist du ganz hektisch gegangen und das war’s.“
„Warum habe ich dann deine Nummer?“
„Weiß nicht… im Eifer des Gefechts müssen wir sie wohl ausgetauscht haben.“
„Mehr nicht?“
„Ne und warum willste das überhaupt wissen? Sind doch schon Tage vergangen.“
„Lange Geschichte. Danke dir aber Ben. Man sieht sich.“

Ich sollte echt aufgeben- das macht keinen Sinn mehr. Ich war fertig mit meinem Essen und langsam kam die Dämmerung und der Wind legte sich. Ich schaute mich um- keiner mehr bei uns auf dem Gelände. Manchmal blieb ich gerne hier nach Feierabend, dann kann es echt schön hier sein. Und hier draußen fühlt man sich dann doch nicht so ganz alleine wie zuhause. Ich will echt nicht nachhause… dann komm ich nur wieder auf dumme Gedanken und will wieder einen trinken- so langsam müsste doch meine Bar auch mal leer werden oder?

„Ach Brad ich muss jetzt echt gehen und wenn du mich nicht begleiten willst, dann versaure doch hier.“
„Endlich“, murmelte er.
„Was sagst du?“
„Nichts“
„Ja ich muss ganz dringend weg.“
„Ja dann mach’s mal gut Rita.“
„Ciao Ben.“
So ging ich also aus der Tür- mit einem genauem Plan, dass ich unbedingt noch zu Laura muss, weil sie ja nicht gekommen ist. So ging ich also schnurstracks nach Hause und stieg ins Auto als wäre nichts. Laura wohnte etwas außerhalb, sowie das Familieneltern eben so machen. Ein Wunder, dass sie überhaupt mit mir trinken geht- ab und zu. So führ ich also aus Köln raus und wollte zu Laura abbiegen- da traf es mich wie ein Schlag- im Radio lief ein Lied- das Lied. Warum mussten die unbedingt dieses scheiß Lied spielen? Ich erinnerte mich sofort an alles was ich vergessen wollte als ich trank- natürlich gab es einen Grund dafür, dass ich saufe wie ein Loch ohne Boden. Ich musste sofort anhalten, die Tränen stiegen mir in die Augen und ich sah nichts mehr. Ich hielt am Straßenrand, wo die Häuser nicht so nah aneinandergebaut wurden und so es noch einen Straßengraben gibt. Ich stolperte natürlich- es war stockfinster. Ich fiel und rollte runter in den Graben und heulte -heulte, weil es schon so weit gekommen ist, dass ich im Straßengraben liege und besoffen Auto fahre. Irgendwie ist einem ja schon nach Lachen zu Mute… ich meine ich liege heulend im Straßengraben- wie im Film- lächerlich und armselig. Ich war so sauer auf ihn, auf das Lied, auf mich, auf den Alkohol, auf alles. Wieso musste er mich sitzen lassen? Warum? Ich schrie die ganze Zeit seinen Namen und heulte und schrie durch die Nacht… schließlich schluchzte ich nur noch und sagte immer wieder ‚warum?‘ So ging das weiter bis ich am Erfrieren war. Ich rappelte mich auf und stieg wieder ins Auto. Ich war komplett aufgelöst und wusste echt nicht was ich machen sollte. Ich hatte tierische Kopfschmerzen und überall lag Erde. In meiner Handtasche entdeckte ich, dass ich noch zwei Klopfer dabei hatte die kippte ich schnell runter und fuhr weiter als wäre nie was passiert. Und fuhr anscheinend so selbstbewusst weiter, dass ich erst kurz vor Frankfurt bemerkte, dass mir total übel war und ich doch lieber mal anhalten sollte.
     Und den Rest kennt ihr ja schon… 

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1341

So fuhr ich also bei strahlendem Sonnenschein endlich wieder nach Hause, endlich wieder nach Köln. Ich fühlte mich wieder besser, nicht mehr so… verklascht. Irgendwie glaube ich nicht, dass gestern nur Alkohol im Spiel war. Ich bin hart im Nehmen und wenn ich noch im betrunkenen Zustand in der Lage war zu fahren wäre ich bestimmt nicht Ohnmächtig geworden und hätte ganz bestimmt keinen Filmriss und nie im Leben so einen Kater. Das kann nicht nur Alkohol gewesen sein. Versuchen wir mal zu überlegen was passiert ist. Ich habe Laura also gestern nicht gesehen das bedeutet ich war mit Dennis in dieser Bar! Genau!
„Hallo! Dennis am Apparat!“
„Dennis! Was ist gestern passiert?“
„Ja mir geht es gut. Danke der Nachfrage. Und dir?“
„Ich habe keine Zeit für sowas! Ey ich bin gestern nachts einfach im Autobahntunnel auf der Straße liegend aufgewacht und zwar kurz vor Frankfurt- ich bin also gestern noch betrunken über hundert Kilometer gefahren. Also sag mir einfach was gestern passiert ist. Ich kann mich nämlich überhaupt nicht erinnern.“
„Okay okay sorry. Hört sich ja echt wild an. Also wir sind halt in die Bar gefahren und haben erstmal einen gekippt und hatten uns viel zu erzählen. Mein Kumpel kam dann später noch, den fandest du übrigens ganz toll.“, er lachte neckisch ins Handy, „Plötzlich ist dir eingefallen du musst Laura ganz dringend anrufen aber keiner ist drangegangen. Du hattest schon mächtig einen Sitzen und wir wollten weiter ziehen…“
„Was? Warte! Wie konnte ich denn so schnell betrunken werden?“
„Weiß ich auch nicht hat mich auch voll gewundert, so kenn ich dich gar nicht. Ja wir wollten auf jeden Fall weiter aber du hattest schon einen netten Kerl mit dem du nicht nur kräftig getrunken, sondern auch kräftig geflirtet hast. Du wolltest bleiben und wir sind gegangen.“
„Wie kannst du mich in so einem Zustand alleine lassen!“
„Entschuldige bitte aber du bist doch kein kleines Kind mehr! Mit dreißig Jahren sollte man schon auf sich selber aufpassen können.“
„Ja schon gut. Und mehr ist nicht passiert?“
„Nein. Es tut mir echt leid Rita. Vielleicht hast du ja die Nummer von deinem unbekannten Charmeur ergattern können.“
„Ja danke. Mach‘s gut.“

Scheiße! Hat mir jetzt auch nicht weitergeholfen. Als ich so darüber nachdachte was so allgemein in meinem Leben abgeht und ich komplett abgetaucht war klingelte plötzlich mein Telefon: mein Chef! Das hat mir jetzt echt noch gefehlt! Was will der?
„Ja Rita Bender.“
„Hallo Frau Bender, was sollte denn diese mysteriöse E-Mail heute Nachmittag? Warum sind sie nicht arbeiten gekommen? Was waren das für äußere Umstände? Normalerweise geht mich das ja nichts an, aber sie machen mir echt Sorgen.“
„Herr Müller! Danke für ihre Sorge aber mir geht es gut- ehrlich. Ich kann ihnen wirklich nichts Genaues sagen, was mich nicht auch in Schwierigkeiten bringen würde. Ich kann ihnen nur sagen, dass es mir ausgezeichnet geht und ich morgen fit ins Büro komme.“
„Sie arbeiten hier schon fünf Jahre und leisten ausgezeichnete Arbeit. Wenn sie Probleme haben und ich etwas für sie tun kann, wenden sie sich ruhig an mich, keine Angst.“
„Danke Herr Müller. Bis morgen!“
Ich Idiot hätte mich einfach krankschreiben sollen- am besten für eine Woche direkt.
„Nein warten sie! Ich hatte sie ja gestern angerufen aber sie sind ja nicht rangegangen.“
„Ja entschuldigen sie.“
„Quatsch, ich kann ja nicht erwarten, dass meine Mitarbeiter 24/7 erreichbar sind. Ich wollte nur sagen, dass sie das Meeting morgen leiten und das Projekt vorstellen müssen, weil ich kurzfristig nach London muss. Ich dachte sie würden sich gerne vorbereiten, deswegen wollte ich Bescheid sagen.“
„Ich soll das machen? Aber Herr Müller! Warum kann das nicht der stellvertretende Chef Herr Schwarz machen?“
„Aber aber! Der hat doch keine Ahnung. Nein sie sollten das tun! Sie haben das Projekt erarbeitet, wieso sollten sie nicht auch die Lorbeeren kassieren?“
„Weil sie es sind- na gut.“
„Das hört sich doch schon besser an.“
Das ist doch nicht sein scheiß Ernst! Verdammte Scheiße! Nach dem Meeting nehme ich mir wirklich eine Woche frei. Das kann doch echt nicht wahr sein.“

„Rita meine Süße, Marcus und ich gehen jetzt weiter. Es gibt noch ‚ne geilere Location. Kommst‘e mit?“
„Nein danke“, ich lachte, „Dennis ich habe hier Spaß! Ja ich bleibe hier mit…“, ich schaute meine neue Bekanntschaft an und lallte weiter: „und bleibe hier mit Brad. Brad Pitt!“ 
„Du bist doch bescheuert!“, sagte Dennis, gab mir einen Kuss auf die Stirn und ging.
„Ich heiße übrigens Ben, wenn dich das Interessiert.“
„Ich war doch ganz nah dran! Ben- Brad stimmt doch fast.“
Er kippte sich noch ein Pinnchen und redete nicht viel weiter. Wahrscheinlich wollte er nur Sex und ob Brad oder Ben war eher nebensächlich, sondern ob bei mir oder bei ihm spielte die entscheidende Rolle. Mir war alles egal- ich wollte nur trinken.

Zuhause angekommen nahm ich ein Bad und versuchte mich weiter zu erinnern. Doch nachdem ich zu Dennis ins Auto gestiegen bin, weiß ich gar nichts mehr. Wie konnte es nur so weit kommen? Was ist aus mir geworden? Bin ich wirklich kurz davor abhängig zu werden? Oder ist es schon soweit? Ich tauchte meinen Kopf unter Wasser und versuchte mich zu entspannen doch an das einzige was ich denken konnte war, dass ich mich noch bei allen melden musste die mich gestern nicht erreichen konnten und ich mich um Himmels Willen noch auf diese scheiß Präsentation beim Meeting vorbereiten muss.
Und was, wenn nicht? Wenn ich einfach blaumache?

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0125

Irgendwie hat Laura ja schon Recht. Trotzdem soll sie mir das verdammt nochmal nicht in dieser Situation unter die Nase reiben. Ich kann jetzt echt nicht noch über hundert Kilometer nachhause fahren das schaff ich nicht… wann bitte habe ich es geschafft so viel zu trinken? Aber ich muss auf jeden Fall aus diesem Tunnel raus, langsam fängt es an gruselig zu werden. Gedacht- getan- also fuhr ich auf der rechten Spur mit 60 km/h von der Autobahn runter und kam in ein kleines Dorf, wo alle schliefen und sich nichts bewegte. Ich fuhr die Hauptstraße etwas lang und entdeckte einen Bäcker der um sechs öffnete also parkte ich dort und schlief auf der Rückbank meines Autos. Es war totenstill und stockfinster und ich war so benebelt, dass ich wirklich direkt eingeschlafen bin- aber ich dachte nicht, dass ich so lange schlafen würde.
„Hey Rita Mensch wie klein die Welt doch ist! Komm steig ein ich nehme dich mit. Wo willste hin?“ 
„Ach was, dass man sich hier mal trifft. Wie schön! Ja ich muss nicht mehr weit, hier einmal ums Eck, in die Bar. Kennst du Laura noch? Die wartet da auf mich. Aber ich bin echt früh dran. Vielleicht ist sie noch …“
„In solche Einrichtungen gehst du? Ich dachte du hast einen besseren Geschmack.“
„Wie redest du eigentlich? Hallo? Ich liebe diesen Laden. Du hast doch keine Ahnung! Du kommst doch gar nicht von hier!“
„Und wenn schon! Ich kenn einen viel bessere Bar. Ruf Laura von da an und sag du willst trinken aber mit Klasse und wenn sich Laura nicht verändert hat, dann ist sie noch gar nicht losgefahren.“
„Stimmt auch wieder. Wir haben uns schon so lange nicht gesehen. Ich komm mit.“
Schon wieder würde ich von Lärm geweckt. Entweder ist das der einzige Bäcker im Dorf oder der beste. Woher kommen die denn alle? Ich habe allen Ernstes bis in den späten Vormittag geschlafen- wenigstens nicht bis in den späten Nachmittag.
Auf Grund meiner nächtlichen Eskapaden, die ich so an manchen Wochenenden habe, (aber nie während der Woche) habe ich immer hinten im Auto eine kleine Kosmetiktasche mit Zeug sowie Zahnbürste und -pasta und wie organisiert ich doch bin- ich habe allen Ernstes noch Wechselklamotten im Kofferraum. Meine Güte! Das gibt es doch nicht. Nach einer Katzenwäsche in der gegenüberliegenden Tankstellentoilette- fühlt man sich echt wie neu geboren. Ich ging wieder zurück zum Bäcker und gönnte mir ein Kaiserfrühstück- das muss jetzt echt sein sonst werde ich gar nicht mehr wach. Als ich meine Brötchen und das Rührei verschlungen hatte und mich dann, schließlich beim dritten Kaffee endlich entspannen konnte und ein Gefühl des Nüchtern seins über mich kam, lehnte ich mich zurück und schaute mich um.
„Sach‘ mal hast du in letzter Zeit mal Silke gesehen?“
„Ne wieso?“
„Mensch sei froh! Die sieht so schrecklich aus!“
„Ach was echt?“
„Ja echt von einer Toten nicht mehr zu unterscheiden.“
„Sei mal nicht so hart zu ihr! Sie hat zwei kleine Kinder und du kennst doch Torsten ihren Mann. Ein Nichtsnutz sag ich dir! Der rührt doch nicht den kleinen Finger Zuhause, geschweige denn das er mal arbeiten geht.“
„Wie? Torsten arbeitet nicht? Nicht mehr meinst du? Der hat doch in der Autowerkstatt gearbeitet?“
„Der hat ja nicht mal Geld bekommen da. Der hat da nur rumgelungert und als ihm das zu langweilig wurde ist er wieder zuhause geblieben und lungert auf dem Sofa rum.“
„Dat is n‘ Ding. Jedenfalls habe ich Silke gestern beim Einkaufen getroffen und die hatte natürlich ihre zwei Kinder mit dabei, die den ganzen Laden zusammen geschrien haben. Ich habe sie extra gefragt wieso Torsten nicht auf sie aufpasst und sie meinte, dass er schläft, weil er ja morgens auf sie aufpassen musste, weil sie arbeiten war. Mensch Ulla die Kinder gehen nicht mal in den Kindergarten und sie arbeitet wieder und dieser Mistkerl muss ein Mittagsschläfchen machen, weil er mal auf die Kinder aufpassen musste für ein paar Stunden.“
„Ja habe ich doch gesagt! Silke kann nichts dafür, Torsten ist der, der sie noch ins Grab bringt. Silke ist ja eigentlich ne‘ gute Seele“
„Ich frag mich wo sie arbeitet…“
„Weißt du das nicht? Als Putze bei den Schmidts Zuhause und auch in der Firma.“
„Ach was?! Hat Monika gar nicht erzählt, sie hat mich letztens erst auf’n Kaffee eingeladen.“
„Vielleicht wollte sie Silke nicht bloßstellen, ich meine wir kennen sie ja alle.“
„Ja, ja hast du Recht Ulla.“
Und so ging das noch gefühlt eine Ewigkeit weiter wieso denn Monika eine Putzfrau braucht, wo wie ja selber nicht arbeitet und ihr Mann das ganze Geld nach Hause bringt und was denn aus den Kindern von Silke wird und bla bla bla … Schöner Klatsch am Dienstagmittag. Oh Gott! Dienstag! Mittag! Mein Chef bringt mich um! Ich ruf ihn ganz bestimmt nicht persönlich an- der würde mich sonst durchs Telefon töten. Die Sekretärin will ich auch nicht belästigen die würde mich zu ihm durchstellen wollen und wenn sie das nicht machen würde und sie selber dem Chef die Nachricht überbringen müsste, dass Rita Bender nicht arbeiten kommen kann und in irgendeinem Kaff nahe Frankfurt festsitzt- dann würde er sie persönlich erwürgen. Ne‘ das tue ich ihr nicht an. Ich schreibe einfach eine E-Mail- nicht so persönlich. Nachdem ich dann noch ein paar andere Mails beantwortet habe, wollte ich auch wieder losfahren.

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0043

Ein lautes Geräusch weckte mich. Ein zischendes Brummen, was ist das? Autos? Langsam öffnete ich meine Augen und sah einen beleuchteten Raum. Aber das ist kein Gebäude, ich mein hier sind überall Autogeräusche, irgendwo müssen sie ja herfahren. Parkhaus? Nein, so schnell fährt niemand im Parkhaus. Mit dem Rücken zur Wand liege ich auf dem Boden. Arme, Beine- alles dran, nur der Schädel platzt. Ich versuche mich zu orientieren und entdecke mein Auto und verstehe endlich wo ich bin- in einem verfluchten Autotunnel. Oh Gott, was mache ich hier? Wie bin ich hergekommen? Ich steig ins Auto- Tür offen, Schlüssel steckt. Was ist das letzte woran ich mich erinnern kann? Heut ist Montag… das erklärt schon mal so einiges… was noch? Ich müsste heute Arbeiten gewesen sein?! Ich hoffe ich war da auch. Ich fühl mich irgendwie angetrunken… bin ich echt schon wieder betrunken Auto gefahren? Was muss ich bitte für ein Glück haben nicht erwischt zu werden oder noch schlimmer ein Unfall zu bauen. Ich steig noch mal aus und betrachte das Auto- kein Kratzer. Ich sammelte noch schnell meinen linken Schuh ein und setzte mich wieder ins Auto. So was haben wir noch… meine Handtasche … mein Handy- Ja!!! Vielleicht hilft mir das weiter… mal sehen: 3 Nachrichten: -Empfangen um 19:56 Uhr- Laura: ‚Ich dachte wir sind verabredet? Wo bleibst du?‘ | -Empfangen um 23:02 Uhr- Anastasia: ‚Sorry ich war duschen hab deinen Anruf verpasst. Was ist los?‘ | -Empfangen um 23:30 Uhr- Mama: ‚Wieso gehst du nicht ans Telefon? Ich versuch dich schon den ganzen Tag zu erreichen. Ich mach mir Sorgen um deine pubertierende Schwester. Melde dich Schatz.‘ | Und unzählige verpasste Anrufe unter anderem von Laura, Anastasia, meiner Mutter, meinem Chef, eine unbekannte Nummer, ein Kollege, die Sekretärin vom Chef- ich krieg verdammt viel Ärger.
Zum Glück stehe ich auf dem Standstreifen, im meiner Verfassung kann ich ganz bestimmt nicht fahren. Was mach ich jetzt… Was ist bloß passiert? Ich steige nochmal aus- im Auto ist es zu stickig. Es fahren nur selten Autos vorbei, es ist also meistens still, man hört nur oben ein monotones Rauschen, es muss ne‘ Straßenbrücke sein. Ein Combi nähert sich, vollgepackt mit Koffern und sonstigem Kram, zwei Kinder und zwei Erwachsene, auf dem Dach ein Kanu. Der Kombi blinkt nach rechts und hält auf dem Standstreifen kurz hinter mir. Der Mann steigt aus, die Frau bleibt bei den Kindern.
„Hallo?! Junge Frau kann man ihnen helfen?“
„Ja… ich… ich weiß nicht wie ich hergekommen bin … und…“
„Ich schätze mal nicht zu Fuß“, und deutet mit dem Kinn zum Auto, „Mein Name ist Andi, im Auto sitzt meine Frau Hanna und meine Kinder Ben und Emma. Wir kommen gerade aus dem Urlaub, aus Holland. Wir haben dich gesehen und dachten du siehst aus als bräuchtest du Hilfe…“
„Danke Andi, das ist echt mega nett. Was ich noch weiß ist, dass ich Rita heiße und eigentlich zuhause im Tiefschlaf sein sollte.“
Währenddessen sind dann doch alle ausgestiegen und haben sich hinter Andi versammelt, sie sehen irgendwie verängstigt aus. Sehe ich so schlimm aus?
„Warum bist du so schmutzig?“, fragte das kleine Mädchen gerade heraus.
Schmutzig? Ich sehe an mir runter und tatsächlich ich sehe aus als hätte ich unter Tage gearbeitet und das meine Hose mal weiß war kann man nur mit viel Fantasie erahnen.
„Ja genau!“, pflichtete ihr Ben bei, „dein Gesicht ist total schwarz.“
„Kinder lasst die arme Frau in Ruhe!“, forderte sie ihre Mutter auf und reicht mir eine Wasserflasche. Ich trank sie gefühlt in einem Schluck leer, machte mich ein wenig frisch und erzählte, dass ich eigentlich in Köln wohne und im Gegenzug berichtete mir die Familie wo wir uns denn jetzt befinden- und zwar auf der Autobahn Richtung Frankfurt, also was heißt Richtung- es sind nur noch zwanzig Kilometer. Was zur Hölle mach ich hier? Die Familie muss weiter nach Bayern also trennen sich unsere Wege. Sie wollten die Polizei und einen Krankenwagen rufen aber ich bestand darauf, dass sie es nicht tun und ich auch prima alleine klar komme- ich bin eine erwachsene Person. Sie gaben mir was zu essen und ihre Telefonnummer, sodass ich sie im Notfall erreichen konnte. So tolle Leute!

Mir bleibt nichts Anderes übrig- ich muss jemanden anrufen.
„Hallo? Rita geht’s noch mich so spät anzurufen! Wo warst du heute?“
„Laura! Du glaubst gar nicht wie froh ich bin deine Stimme zu hören.“
„Oh bitte weine nicht Rita- ohh nicht so laut- du weckst noch alle.“
„Tut mir leid. Oh du glaubst nicht wo ich bin…“
„Das will ich bitte selber beurteilen ob ich das glaube oder nicht.“
„Mitten in der Nacht und Laura hat immer noch Zeit für ein Witz…“, so erzählte ich ihr, dass ich in einem Autobahntunnel aufgewacht bin, ohne zu wissen warum, ich erzählte ihr von der netten Familie und dass ich komplett schwarz vor Dreck bin und fragte sie schließlich warum wir uns den treffen wollten.
„Ja du hast mich in deiner Mittagspause angerufen und wolltest unbedingt abends was trinken gehen und mir eine große Neuigkeit erzählen… ich muss zugeben zuerst dachte ich, dass du schwanger bist aber dann geht man ja nichts Trinken, obwohl bei dir bin ich mir nicht sicher ob dich das abhält.“
„Laura du schweifst ab.“
„Ja jedenfalls wolltest du gegen sieben in unserer Bar sein, für deine Verhältnisse echt früh aber du musst ja morgen ins Büro.“
„Laura bleib beim Thema.“
„Was Thema… nichts mehr! Ich war da und du nicht und hast dich nicht gemeldet und mehr ist auch nicht passiert- bis jetzt.“
„Und vor allem- von wem zur Hölle sollte ich den bitte schwanger sein?“
„Ich bitte dich- genug One-Night-Stands hast du, sowas passiert eben manchmal.“
„Stell mich bitte nicht als alkoholabhängige Schlampe dar nur, weil du schon Mann und Kinder hast.“
„Rita du bist diejenige die mit dreißig Jahren betrunken in einem Autobahntunnel aufwacht und einen Filmriss hat. Ich bin hier nicht die Schuldige.“
„Schönen Dank auch.“

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Eis im Januar

Es war hell, beinahe blendend. Dennoch schien sie Sonne nicht. Sie war versteckt hinter weißen Wolken, die so aussahen wie der Rauch von flüssigem Stickstoff, als hätte Mutter Natur mit einem Chemiebaukasten experimentiert und hinter ihr stand eine Neonlampe. Das Wetter war merkwürdig, beinahe mild, fast angenehm. Dennoch lag noch etwas Schnee. Nicht mehr wirklich viel, die Straßen waren schon alle wieder blitzeblank, aber da wo die Schneeschieber große Haufen gemacht haben kann man immer noch hochklettern und wieder runterrutschen. Diesen Winter hatte es viel Schnee gegeben das ist jetzt noch der Rest, obwohl der Winter ja noch nicht vorbei ist, vielleicht kommt noch mehr. Die Bäume im Garten waren kahl und dunkel, sahen ziemlich einsam aus in dieser weißen Umgebung, obwohl sie nicht alleine waren. Außerdem gab es im Garten noch einen kleinen Teich, er war so klein man hätte Pfütze sagen können, entdeckte man nicht die Fische die durch das Wasser schimmerten, doch es waren keine echten Fische nur Plasikfigürchen. Um den Teich waren ein paar Büsche platziert. Vom Haus aus führte eine Terrasse, auf der Tisch und Stühle standen, zum Garten. Das Highlight war jedoch die Schaukel auf der zwei Kinder gleichzeitig schaukeln konnten. Wenn man sich den Garten im Ganzen anschaut fällt einem nichts auf, ein durchschnittlicher Garten einer durchschnittlichen Familie. An diesem hellen, weißen Januar Morgen spielten zwei Freunde mit dem Schnee im Garten. Es war Sonntag und alle waren zuhause und genossen den freien Tag.

Die Freundschaft der beiden begann schon am ersten Tag des Kindergartens: Im August als der Kindergarten nach zwei Wochen Sommerpause wieder öffnete, kamen viele neue Kinder dazu, damit sich alle besser kennen lernten, gab es ein kleines Sommerfest auf dem Spielplatz, vor dem Kindergarten. Alle Kinder, Eltern und Erzieher waren da es wurde gegrillt, gegessen, getrunken, gespielt und gelacht. Doch zwei Kindern schien der Trubel zu viel, sie saßen abseits vom Fest im Sandkasten aber nicht zusammen. Nein, jeder für sich auf der gegenüberliegenden Seite vom jeweils anderem. Es war ein Junge mit kurzen blonden Haaren, einem Poloshirt, Shorts in seiner Lieblingsfarbe- blau und Sandalen in die die ganze Zeit Sand kam und zwischen seinen Zehen kitzelte. Und ein Mädchen, sie hatte einen großen Hut auf, unter dem goldene Locken zusehen waren, sie trug ein zum Hut passendes Kleidchen und unter ihrem Sandalen trug sie Söckchen, so dass sie der Sand nicht weiter störte. Sie saßen stillschweigend da und klopften mit der Hand auf den Sand, doch ließen sich nicht einen Augenblick aus den Augen.

Zurück im Garten waren die beiden nun schon sechs Jahre alt und würden im Sommer zur Schule gehen. Sie saßen nebeneinander und bauten den Schneemann zu Ende den sie gestern angefangen hatten. Was sich als nicht so einfach herausstellte, da der Schnee nicht mehr so locker und leicht war, sondern träge und schwer und eigentlich war auch kaum genug Schnee für einen ordentlich großen Schneemann da. Doch das machte den Kindern nichts aus, sie hatten trotzdem viel Spaß. Sie formten nach und nach erst den Bauch und den Kopf, verpassten ihm Hut, Nase, Knöpfe, Augen, Mund, Äste als Arme und ein Schal um den Hals.

Sie fühlten sich wie Erschaffer, aus gefrorenem Wasser erschufen sie etwas neues, beinahe lebendiges, fast Menschliches. Wenn man die beiden fragte was sie später mal werden wollen antworteten sie immer gleich: „Ich weiß nicht wie das heißt aber irgendwas Neues machen, neues bauen.“ Man fragte ob sie Erfinder werden wollen, sie überlegen, schauen sich gegenseitig an und sagen: „Ja vielleicht sowas.“

Der Junge sprang auf und rief: „Ja Helena fertig! Fertig! Ich rufe Mama!“ So lief er ins Haus, um seine Mutter zu rufen, damit sie das Werk der beiden bewundern kann. In Hausschuhen tapste die Mutter vom Jungen über die Terrasse und blieb am Rand stehen. „Leander was ist denn?“

„Mama schau ein Schneemann! Haben Helena und ich ganz alleine gemacht.“

„Mit dem Schal von Papa!“, sie lachte.

„Ja, Papa ist zuhause vor dem Kamin, der braucht keinen Schal und der Schneemann ist draußen und friert.“ Helena nickte eifrig, als würde sie Leanders Worte bestärken wollen.

„Ja das stimmt natürlich. Ihr Lieben wollt ihr nicht rein und heiße Schokolade trinken? Langsam wird es dunkel und Helena muss in einer Stunde nach Hause und du willst ja nicht krank werden stimmt’s?“, sie schaute bei den letzten Worten Helena an.

Die Sonne knallte auf das Sommerfest und Leander wünschte sich auch so einen Hut wie von Helena. Sie sah genauso groß wie er aus, also dachte er sie muss auch neu sein. „Wie heißt du?“, fragte sie.

Sie grinst und scheint neugierig und munter. „Leander und du?“, antwortete er vorsichtig.

„Leander was für ein komischer Name. Ich bin Helena.“, sie grinste immer noch und blickte ihn direkt an.

„Helena ist auch ein komischer Name.“, Leander war gekränkt, er dachte zuerst, dass sie nett war. Er machte ein ganz zorniges Gesicht und dreht sich halb weg. Helena lachte: „Ja mein Name ist auch komisch, genau wie du. Sag mal Leander hast du nicht Durst? Es ist voll heiß und meine Mama hat Limonade gemacht.“ Er dreht sich ein klein wenig zurück und flüstert: „Limonade?“

„Ja, ja! Selbstgemacht! Komm! Komm, Leander!“

„Heiße Schokolade? Helena willst du heiße Schokolade?“

„Warum nicht?!“

„Ich will lieber Eis.“, sagte Leander, Helena leckte sich die Lippen, schaute dann aber zu Leanders Mutter die eine Augenbraue vor Überraschung hob. Dann räusperte sich Helena lachte verlegen und sagte in einem übertrieben gespielten Ton: „Eis? Ist das dein ernst? Es ist doch so kalt. Eis im Januar. Du spinnst doch!“, und schaute dabei die ganze Zeit Leanders Mutter an.

„Ja Helena hat recht“, sie musste schmunzeln, „es gibt kein Eis. Wollt ihr jetzt rein oder nicht?“

„Nein Mama wir spielen noch draußen.“

Keine fünf Minuten später kam Leander mit einem Plastikbehälter voller Vanilleeis und zwei Löffeln wieder. Sie setzten sich auf die Schaukel und aßen abwechselnd das Eis. „Du hast aber geflunkert Helena! Du wolltest das Eis genauso wie ich!“, Leander warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und steckte sich einen vollen Löffel in den Mund. Sie zuckte mit den Schulten: „Und? Deine Mama soll nicht schlecht von mir denken.“

„Quatsch.“

„Es ist schön hier bei euch im Garten.“, bemerkte Helena nach einer Weile.

„Findest du?“

„Ja, es ist ganz hübsch.“ Sie aßen weiter.

„Schmeckt das Eis?“

„Ja und besonders im Januar.“, beide lachten.

„Was wünscht du dir zum Geburtstag Helena? Gestern habe ich die Einladung bekommen.“

„Oh das ist gut. Hm… Ich wünsche mir… ich wünsche mir, dass wir immer Freunde bleiben und dass… dass es immer Januar bleibt.“

„Dann gibt es nämlich immer Eis im Januar.“

 

 

​…für dich Leander.