preloder

Sie – Kapitel 5

„Hallo.“

„Hi.“, sie atmete den Rauch aus. Eine Weile schwiegen sie. Er lauschte der Natur im Hintergrund und sie hörte ihm beim Atmen zu.

„Bist du im Park?“

„Woher weißt du das?“, sie war jetzt schon genervt.

„Die Vögel haben dich verraten.“

„Ich dachte, wenigstens kann ich meine Freiheit genießen.“

„Brauchtest du wieder frische Luft?“, er zwang sich zu einem Lächeln.

„So war das nicht gemeint.“, kurze Pause, „Wie geht es dir? Schon eine Schlägerei gehabt?“

„Es geht mir gut. Leider noch nicht.“

„Wann kommst du raus?“

„Mit meinem neuen Anwalt – bestimmt morgen.“

„Es tut mir leid – ja ich habe meine Eltern um Hilfe gebeten und du wirst es nicht glauben, aber sie waren froh von mir zu hören und haben ohne zu zögern geholfen – dir geholfen. Ich hoffe, du hast ihnen dafür keine Drogen verkauft.“, sie lachte kurz und bereute ihre Eltern um Hilfe gebeten zu haben.

„Doch und jetzt müssen sie mir, ihren Dealer des Vertrauens, einfach helfen.“, er lachte seit langem wieder echt – sie brachte ihn immer zum Lachen. Nur sie konnte ihn Glücklich machen.

„Also klappt wirklich alles gut oder machst du Witze?“

„Bis jetzt sieht es gut aus. Er könnte wieder Bewährung für mich rausschlagen, wenn sie nichts finden.“

„Bewährung also?“

„Ja aber nur, wenn sie nichts finden.“

„Und werden sie was finden?“

„Vielleicht.“, er schluckte, „Wahrscheinlich.“

„Was redest du dann von Bewährung, wenn es doch wahrscheinlicher ist, dass sie was finden? Bei deinen Vorstrafen.“, ein Pärchen, eine Bank weiter, drehte sich um und schaute sich vielsagend an, sie räusperte sich und streckte ihnen die Zunge raus, die Frau schaute entsetzt und der Mann lachte, sie widmete sich wieder dem Telefonat.

„Noch haben sie gar nichts gefunden.“

Sie pustete in den Hörer und wippte mit einem Bein: „Aber dich auf der Flucht schnappen ist nichts?“

„Wieso willst du wieder streiten?“, sagte er trotzig, als hätte er keine Lust sich ihre Vorwürfe an zu hören.

Sie wollte gerade wieder anfangen zu schreien, als ihr das Pärchen einfiel und sie nochmal an der Zigarette zog und leise weiterredete: „Dein Ernst? Wir reden über deine Zukunft und du fängst damit an? Irgendwann muss ich auch Dinge loswerden, die gesagt werden müssen.“

„Für mich ist das auch nicht einfach – du führst dich auf als wärst du ihm Gefängnis.“, sagte er langsam, die Worte mit Bedacht wählend.

„Bin ich aber nicht, sondern du. Ich mache mir nur Sorgen – die Frage ist nur: warum mache ich das –ich überlege eben wie es weitergehen soll – wie soll es denn deiner Meinung nach weitergehen?“

Er seufzte.

„Erzählst du mir wie jedes Mal was von Entzug und Jobs und Leben auf die Reihe kriegen? Wach auf! Dein Leben passt auf keine Reihe mehr. Es ist und bleibt Chaos. Und weißt du ich habe noch gehofft. Ich weiß eigentlich gar nicht mehr warum ich das tat.“, jetzt war ihr auch das blöde Pärchen egal und sie schrie hemmungslos in den Hörer, „Warum ich dich verteidige und mich um alles kümmere und meine Eltern um Hilfe bitte, eigentlich will ich das auch gar nicht tun – ist wahrscheinlich die Routine – und es ist mir so unangenehm – nur wegen dir. Alle meine Probleme habe ich wegen dir. Ich wollte das all die langen, schweren Jahre nicht sehen, aber jetzt sehe ich es plötzlich ganz deutlich vor mir.“ Tonnen von Schmerz fielen von ihr ab.

„Er ist wieder in der Stadt.“, sagte er ganz ruhig.

„Ja und wir haben uns geküsst.“, das Pärchen tuschelte, sie war kurz zufrieden.

„Ha – ich wusste es.“, er fuchtelte wild mit dem ausgestreckten Zeigefinger umher, „Und er macht dir keine Probleme? Verstehe. Das war so klar – so wie jedes Mal – du bist der Engel und ich der Teufel und wenn die Sonne untergeht zeigst du dein wahres Ich.“

„Was redest du da? Kalter Entzug tut dir wohl nicht gut.“

„Betrug tut mir nicht gut.“

„Mach mir keine Vorwürfe! Warst du einmal da, als es mir schlecht ging? Ja natürlich immer, aber nicht um mich zu trösten oder mir wenigstens zu zuhören, sondern nur um mir einen Joint anzudrehen und zu vögeln. Wie oft wolltest du dich ändern? – Und hast es nie getan. Und selbst, wenn er nicht gekommen wäre, stimmt alles was ich gesagt habe.“

Sie legte einfach auf und weinte eine ganze Stunde. Ja im Park, ja in der Öffentlichkeit. Das Pärchen verschwand endlich. Er war ihre große, riesige, erste Liebe und jetzt ist es endgültig aus und sie fühlte sich so schlecht, ihr Herz schmerzte, aber sie fühlte sich auch so dümmlich, dass sie so jemand wie ihn je lieben konnte und sie fühlte sich befreit, weil sie ihn endlich los ist. Und als sie sich gesammelt hatte, rief sie den Anwalt an und sagte er solle den Idioten im Knast lassen und sie rief ihre Eltern an. Sie bat für alles um Entschuldigung. Sie wollte sich versöhnen und von vorne anfangen und ihn so schnell wie möglich vergessen. Sie hatte es satt zu warten, bis er sein Leben auf die Reihe kriegt – jetzt war sie an der Reihe.

Sie will zu ende Studieren, sich wieder auf sich konzentrieren, wieder die wichtigen Dinge im Leben sehen. – Wie ihn. – Und er ist wen sie im Club geküsst hat. Sie kennen sich vom Studium, schon so viele Jahre kennen sie sich. Und ihm war er immer ein Dorn im Auge, alle wussten was los ist und haben es stillschweigend hingenommen. Und er ist schon längst fertig mit dem Studium und hat Job, Karriere und alles und trotzdem konnte er sie nie vergessen. Und er kommt immer mal wieder zurück in die Stadt, wenn die Sehnsucht zu groß ist. Dann haben sie sich immer für einen Abend gesehen und bis jetzt ist nie was passiert, weil sie immer aufgepasst hat aber jetzt war der richtige Moment. Als sie ihn im Club sah wurden ihre Augen ganz groß, sie schaute kurz ob sie auch niemand beobachtete, dann ging sie auf ihn zu und sie blickten sich schweigend an. Sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war aber es war ihr auch egal und allen anderen war es auch egal – sie schienen unsichtbar – keinem schien es aufzufallen, dass sie nicht tanzten. Schließlich drückte er sie an sich und küsste sie – nur einmal, dann blickten sie sich noch mal kurz an und wussten alles vom anderen. Sie kam zu sich und rannte aus dem Club ohne ein Wort zu sagen. Sie flüchtete in den Park und erst als sie sich auf die Bank plumsen ließ, begriff sie, dass das echt gerade passiert ist.

Zurück zum ersten Kapitel

Kommentar verfassen