Ich war plötzlich wieder auf der Party und schwitze schrecklich. Ich sah mich und sah viel zu viele Menschen die ich alle kannte. Sie tanzten alle um mich herum, bildeten einen Kreis und ich stand in der Mitte dieses Kreises, alle Augen auf mich, Schweiß tropfte an mir runter. Sie tanzten und lachten und hatten Spaß, hüpften und fingen an zu schreien, was sich ziemlich mechanisch, elektrisch … ich weiß nicht – aber auf jeden Fall nicht menschlich anhörte, sie schrien wie Sirenen, ich verstand nichts, drehte mich im Kreis bis mir schwindlig wurde. Sie klatschten in die Hände, aber es hörte sich nicht wie klatschen an – eher wie klopfen. Ja sie klopften in die Hände.
Sie fiel vom Sofa und gab kurz ein Laut von sich, setzte sich auf den Boden und versuchte zu verstehen was gerade passierte. Sie hörte das Klopfen immer noch und da – da wieder das Schreien aber es hörte sich diesmal so echt an. Die Klingel! „Um Gottes Willen! Was ist denn jetzt schon wieder?“, sagte sie außer Atmen beim öffnen der Tür und sah zwei in blau. „Guten Tag! Wir entschuldigen unseren frühen Besuch, aber wir würden gerne kurz mit ihnen sprechen.“
„Geben sie mir einen Moment“, hauchte sie und sah zuerst die Polizisten an und dann an sich runter. Die Beamten nickten nur. Sie lehnte die Tür an und fluchte innerlich. Sie zog sich einen Bademantel an, obwohl sie angezogen war, aber sie fühlte sich nackt und nassgeschwitzt. Sie schaute nicht in den Spiegel. Holte sich ein Wasser und machte wieder die Tür auf. Die Polizisten schauten sich schief an: „Dürfen wir?“, und deuteten in ihre Richtung.
„Solange sie nicht müssen – nein. Wir können das sicher auch so besprechen.“
„Wie sie meinen. Sie wissen bestimmt warum wir hier sind – oder?“
„Nein.“, nichts wünschte sie sich jetzt mehr als einen Kaffee, sie schaute sie mit hochgezogener Braue an, „Klären sie mich auf Officers!“
Der eine grinste und der andere schnaubte verächtlich: „Lassen sie das!“
„Also wir sind hier wegen ihrem Freund, der sich gestern hier versteckt hat.“, übernahm der erste wieder.
„Verfolgen sie mich?“, sie war überrascht und wurde abrupt ernst.
„Nein das hat er uns selber gesagt.“, sagte der eine ganz Trocken und mit einem unsichtbaren, zufriedenen Lächeln – sie aus dem Konzept gebracht zu haben. Sie runzelte die Stirn und öffnete den Mund langsam, als überlegte sie was sie jetzt sagen soll. In ihren Augen sah man wie es ratterte. Die Augen nämlich flogen ratlos von einem Polizisten zum anderen und wieder zurück.
„Wir haben ihn gestern Nacht noch festgenommen.“, fügte er noch hinzu als sie stumm blieb.
Sie schwieg kurz bis sie dann nach einem angespannten Scheufzer antwortete: „Festgenommen also. Was wollen sie dann von mir?“
„Wir haben einige Fragen zu ihrer Beziehung und zu seinen Geschäften, sie wissen schon – das übliche.“
„Verstehe. Und was ich damit zu tun habe und ob ich ihn verpfeife. Ohne meinen Anwalt sag ich gar nichts.“
„Wir wollen sie ja erstmal nicht verhören, wir wollen einfach mit ihnen reden, buchstäblich zwischen Tür und Angel.“
„Erstmal?!“
„Ja erstmal. Können sie uns vielleicht sagen warum er genau abgehauen ist?“
„Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich irgendwas sagen werde?“, sie lachte, nicht ihr erster Polizeiverhör, „Schönen Tag noch Officers!“
Sie machte sich einen großen Kaffee. Dieser verdammte Mistkerl – warum ist er weggelaufen?! Warum er weggelaufen ist! Die Bullen wissen genau so viel wie ich. Aber sie haben ihn trotzdem festgenommen, wollen ihn endgültig kriegen. Was hat er angestellt?
Sie telefonierte etwas rum – bei seinen Jungs – die wussten alle was, aber keiner wollte was sagen. Was für Weicheier! Was kann so schlimm sein? Bis sie schließlich den einen Freund anrief – der sie einander vorgestellt hatte, vor vielen Jahren.
„Hey Baby kommst du mit zur Party?“, er setzte sich neben sie.
„Ich bin nicht dein Baby! Und nein – ich habe zu tun!“, sie versuchte ihr Buch weiter zu lesen.
„Was hast du bitte an einem Samstagabend zu tun?!“, er schubste sie an und hielt sein Gesicht knapp über das Buch gebeugt.
„Ja was man so zu tun hat. Komm lass mich in Ruhe.“
„Musst du etwa alle Bücher der Welt in deinem Studium lesen?“
„Ja.“, antwortete sie ganz ernst.
„Du hast also keine Ausrede? Irgendwas liegt dir…“, er machte eine Kunstpause, sie verdrehte die Augen und er fuhr theatralisch fort, „auf dem Herzen.“
Sie lachte und packte das Buch schließlich doch weg.
„Ich habe auch eine Überraschung für dich.“, er klatschte wie ein Kind in die Hände.
„Oh eine Überraschung das ändert natürlich alles. Da kann ich ja gar nicht nein sagen.“
„Ganz genau. Warum nicht gleich so? Ich hol dich um zehn ab.“
„Blödmann.“, sie schlug ihn mit dem Buch, er warf ihr eine Kusshand zu und ging fast hüpfend weg.
„So da sind wir – wo ist meine Überraschung?“, sie setzte die Hand an die Stirn als würde sie was in der Ferne suchen.
„Deine Überraschung…“, er stellte sich auf Zehnspitzen, „deine Überraschung die steht an der Theke mit Mojitos.“
„Alter dein Ernst? Du willst mich verkuppeln?“, sie ließ die Schultern fallen.
Er lachte: „Komm gib ihm ne Chance. Der ist lustiger als du, glaub mir.“
„Niemals ist der Idiot lustiger als ich.“
Und da sah ich ihn zum ersten Mal und es war… es war keine Liebe auf den ersten Blick – so kitschig bin ich auch wieder nicht – aber es war irgendwie besonders, dieser Moment keine Ahnung, als wäre unsere gemeinsame Zukunft mit diesem Blick besiegelt worden. Und ich wollte zuerst nicht mit. Stellt euch vor wir wären uns nie begegnet… Mein Leben wäre nicht mehr meins ohne ihn.
Sie starrte mit einem leeren Blick aus dem Fenster.
„Hallo? Jemand Zuhause?“.
Vor Schreck ließ sie fast das Telefon fallen: „Spinnst du!“
„Hör mal du rufst mich doch in aller Herrgotts Frühe an!“, er schaute nochmal auf die Uhr – 7:23 Uhr.
„Dann komm ich am besten direkt zur Sache. Er war gestern bei mir – auf der Flucht. Wurde gestern noch geschnappt. Die Bullen haben mich gerade eben aus dem Bett geklingelt und haben ein paar Fragen, weil die selber nicht wissen warum die ihn eigentlich festgenommen haben. Was hat er angestellt?“
„Niemals haben die ihn geschnappt. Warum war er bei dir?“, er kratze sich am Kopf und versuchte cool zu bleiben.
„Ja die Bullen haben zuerst bei ihm geklingelt und er ist durchs Fenster abgehauen – zu mir.“
„Wie kann man so bescheuert sein?!“, er schüttelte den Kopf.
„Das frag ich mich auch. Hör zu! Ich habe alle seine kriminellen Assis angerufen und alle wissen was und keiner sagt mir auch nur ein Sterbenswörtchen.“
„Okay.“, eine Weile kam nichts.
„Okay? Meine Fresse… okay sagt der.“, sie lachte und wurde sofort wieder ernst und redete weiter, „Raus mit der Sprache! Das ist ganz bestimmt nicht okay. Ich glaub es nicht – okay sagt der.“
„Genau deswegen sagt auch keiner was.“, er musste sich ein Lachen verkneifen.
„Jetzt reicht es aber! Dein verfickter Ernst? Ich bin doch nicht der verdammte Feind! Ich will doch nur helfen, ich will doch einfach wissen was los ist. Jetzt lenk nicht ab und sag endlich!“
„Er hat niemanden ermordet, wenn du das denkst.“
„Ich ermorde dich gleich – natürlich hat er niemanden ermordet.“
Er legte das Telefon neben sich auf den Tisch, weil sie so laut war.
„Was kann denn so schlimm sein, dass du es mir nicht sagen kannst? Ich kenne ihn schon sieben verdammte Jahre – und ich kenne ich ihn wirklich.“
„Sieben Jahre! Wie die Zeit vergeht.“
„Sag mal, willst du mich verarschen? Wenn du mir nicht auf der Stelle sagst was er angestellt hat gehe ich selber zu den Bullen und frag ihn da und wenn ich schon mal da bin kann ich direkt meine Aussage machen.“
„Das würdest du nicht tun.“
„Ach ja? Wollen wir wetten?“, in ihrer Stimme lag endlose Wut und Unverständnis warum sie außen vor gelassen wurde.
Ich kannte sie inzwischen mehr als sieben Jahre und kannte sie besser als jeder andere und wenn sie sogar ihn und sich selber schaden würde, sollte ich nicht mehr spaßen. Denn wenn sie es von ihm erfahren würde, dann würde sie mich wirklich ermorden. Und ich hätte es vielleicht sogar verdient, denn er deckt mich und sie wird mir das nie verzeihen.
Ein Gedanke zu „Sie – Kapitel 3“